Jugendliche können gut mit einem transplantierten Herzen leben

Mit einem fremden Organ zu leben, kann eine große psychische Belastung bedeuten, denn die Organ-Empfänger bleiben chronisch krank.

Doch die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin vermitteln der Eindruck, dass zumindest das Leben herztransplantierter Jugendlicher fast so verläuft wie das gesunder Heranwachsender. Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojekts wurden Interviews mit sechs herztransplantierten Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren und deren Eltern sowie mit Ärzten und Psychologen aus dem Transplantationsbereich geführt. Der Abstand zur Transplantation betrug ein bis drei Jahre.

Die Experten waren sich einig darin, dass die Jugendlichen nach Überstehen der akuten Phase nach der Operation bald ein körperliches Leistungsniveau erreichen, das dem gesunder Gleichaltriger sehr nahe kommt – allerdings unter dem Vorbehalt, dass keine außergewöhnlichen organischen Komplikationen auftreten. Die meisten transplantierten Jugendlichen waren in der Lage, aktiv am normalen Leben teilzunehmen, und auch in der Schule gab es kaum Schwierigkeiten. In ihren Familien führten die Betroffenen offenbar ein Leben ohne große Einschränkungen.

Befragt nach seinem typischen Tagesablauf berichtete ein Junge, seine Tage verliefen „ganz normal, bis auf die Tablettenpause immer dazwischen“. Zu Routineuntersuchungen mussten die Jugendlichen nur noch in halb- oder ganzjährigen Abständen. Die Anzahl der Medikamente, die täglich eingenommen werden mussten, hatte sich bei den meisten inzwischen auf eine vergleichsweise geringe Dosis reduziert. Alle gingen in Regelschulen und hatten durch den Eingriff oft kaum mehr als drei Wochen Schulunterricht verpasst. Sie waren in der Lage, in Maßen Sport zu treiben, mit Ausnahme des Schwimmens in öffentlichen Bädern wegen der drohenden Infektionsgefahr.

Bei der Auswertung der Interviews mit den Jugendlichen deutete sich allerdings auch an, dass sich hinter der Fassade der Normalität Unsicherheiten und Ängste verbargen. Allen Befragten war bewusst, dass sie ohne die Transplantation gestorben wären und dass eine Abstoßung des Spenderorgans auch Jahre nach der Transplantation jederzeit auftreten kann. Vor den Routineuntersuchungen hatten alle Jugendliche selbst dann Angst, wenn sie sich körperlich gut fühlten und äußerlich kein Anlass zur Sorge bestand. Für sie bestand außerdem die Notwendigkeit, das Organ eines fremden Menschen, der gestorben ist, in ihr Selbstbild zu integrieren – und das in einer Lebensphase, in der die Entwicklung einer sicheren Identität eine wichtige Aufgabe darstellt. Es wurde auch deutlich, dass den Jugendlichen eine soziale Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen infolge der Erkrankung erschwert war und somit die Loslösung vom Elternhaus nur eingeschränkt erfolgte.

Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, im ärztlichen Beratungsgespräch noch stärker als bisher die soziale Lebenssituation und die Ängste der Betroffenen zu thematisieren und auf die Gefahr psychosozialer Belastungen frühzeitig und eindringlich hinzuweisen. Den Familien solle auch ermöglicht werden, ihren Ängsten Ausdruck zu verleihen und entsprechende Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

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mc (mc)

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