Attacke des Immunsystems verantwortlich für Herzschwäche

Würzburger Forscher schlagen neue Therapieansätze vor

Eine Herzschwäche muss nicht immer durch einen Infarkt oder einen Herzklappenfehler bedingt sein. Sie kann auch dann entstehen, wenn das Immunsystem den Herzmuskel angreift. Das haben Wissenschaftler von der Uni Würzburg jetzt erstmals nachgewiesen. Ihre Arbeit ist in der Mai-Ausgabe 2004 des renommierten Fachblatts „Journal of Clinical Investigation“ veröffentlicht.

Ultraschall an Rattenherzen. Rechts ein gesundes Tier, links ein Tier mit krank machenden Beta1-Rezeptor-Antikörpern. Gezeigt sind Querschnitte durch die linke Herzkammer. Man sieht: Beim kranken Tier (links) ist sie stark vergrößert. Grafik: Jahns
Roland Jahns von der Medizinischen Poliklinik und seine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Pharmakologie erforschen eine schwere Herzmuskelschwäche, die im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auftritt. Die Betroffenen können im Endstadium oft nur durch eine Herztransplantation gerettet werden. In der Fachsprache der Mediziner heißt dieses Leiden „Idiopathische Dilatative Cardiomyopathie“ (DCM).

Bei 25 bis 30 Prozent der Patienten ist diese Form der Herzschwäche durch genetische Defekte bedingt, bei 10 bis 15 Prozent liegt ihr eine direkte toxische Schädigung des Herzmuskels zu Grunde, ausgelöst zum Beispiel durch Alkohol oder eine Chemotherapie. Ansonsten ist die Ursache der Krankheit bislang unbekannt.

Allerdings finden sich bei rund 30 Prozent der Patienten im Blut Antikörper, die sich gegen den beta1-adrenergen Rezeptor richten. Dieses winzige Molekül sitzt bei jedem gesunden Menschen in der Wand der Herzmuskelzellen. Dort sorgt es dafür, dass das Stresshormon Adrenalin die Pumpe schneller und kräftiger schlagen lässt. Die bei den Erkrankten gefundenen Antikörper haben denselben Effekt – „und das ist für die Herzfunktion und Lebenserwartung der Patienten langfristig sehr ungünstig“, erklärt Jahns.

Unklar war bisher, ob die Antikörper als Folge der Herzschwäche entstehen oder ob sie eine Ursache für die Krankheit sind. Letzteres ist der Fall, so die Würzburger Forscher: Bekamen Ratten einmal im Monat einen bestimmten Abschnitt des beta1-adrenergen Rezeptors verabreicht, der bei Mensch und Ratte identisch ist, dann reagierte ihr Immunsystem mit der Bildung adrenalin-ähnlicher Antikörper. In der Folge stellte sich bei allen Tieren nach neun Monaten eine schwere, langsam voranschreitende Erweiterung und Funktionseinschränkung der linken Herzkammer ein. Wurde das Blutserum dieser Ratten einmal monatlich über ein Jahr hinweg intravenös auf gesunde Tiere des gleichen Stammes übertragen, so entwickelte sich das Krankheitsbild auch bei ihnen.

Jahns: „Damit haben wir erstmals bewiesen, dass eine gegen den beta1-adrenergen Rezeptor des Herzens gerichtete Autoimmunreaktion bei der Idiopathischen Dilatativen Cardiomyopathie ein eigenständiges krankheitsauslösendes Prinzip darstellt. Bei wie vielen unserer Patienten dieser Mechanismus eine Rolle spielt, ist noch nicht abschließend geklärt.“ Am Klinikum der Uni Würzburg werden durchschnittlich 200 bis 300 Betroffene betreut.

In jedem Fall aber haben diese Ergebnisse die Grundlagen für neue Therapieansätze geliefert. So ist es laut Jahns denkbar, die negative Wirkung der Antikörper mit Medikamenten aufzuheben, etwa mit Beta-Blockern. Alternativ könnten die Antikörper auch durch eine spezielle Dialyseform, die so genannte Immunadsorption, aus dem Blut der Patienten ausgewaschen werden.

Weitere Informationen: PD Dr. Roland Jahns, Tel. 0931-201-71190, E-Mail: jahns_r@klinik.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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