Neues Medikament gegen Blutkrebs im klinischen Test

Medizinische Universitätsklinik beginnt Studie zur Behandlung von Multiplem Myelom / Testsubstanz ähnelt dem Contergan-Wirkstoff Thalidomid

Ein neues Medikament gegen das Multiple Myelom (Plasmoyztom) wird erstmals in Nordamerika und Europa an Patienten in einer sogenannten Phase-III-Studie getestet. Als erste Klinik in Europa erhielt die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg die Zertifizierung zum Studienbeginn. Die klinische Studie, an der Patienten teilnehmen können, die an einem Multiplen Myelom leiden und nach einer Therapie einen Rückfall hatten, beginnt im Oktober 2003. Weitere teilnehmende Studienorte in Deutschland sind Berlin (Charité Campus Buch und Campus Virchow-Klinikum), Erlangen (Universitätsklinikum), Tübingen (Universitätsklinikum), München (Klinikum der Universität München), Düsseldorf (Universitätsklinikum) und Frankfurt (Universitätsklinikum).

Bei dem Medikament handelt sich um „Revimid“ (CC-0513), eine dem Thalidomid (Contergan-Wirkstoff) verwandte Substanz. Die lebensverlängernde Wirkung von Thalidomid bei Patienten mit Multiplem Myelom ist bereits in klinischen Studien erwiesen, seine Zulassung steht allerdings noch aus. „Klinische Untersuchungen in den USA geben starke Hinweise darauf, dass Revimid mindestens ebenso wirksam wie Thalidomid sein dürfte und möglicherweise ein günstigeres Spektrum an Nebenwirkungen hat“, erklärt Professor Dr. Hartmut Goldschmidt, leitender Oberarzt der Abteilung für Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Anthony Ho).

Das Multiple Myelom ist der zweithäufigste Blutkrebs; jedes Jahr erkranken etwa 4.000 Patienten in Deutschland. In ihrem Knochenmark vermehren sich Plasmazellen, eine Untergruppe der weißen Blutzellen. Diese Plasmazellen können knochenauflösende Zellen aktivieren, so dass die Knochensubstanz porös wird. Zusätzlich verdrängen sie reife Blutzellen: Es kommt zur Blutarmut (Anämie) und Schwächung der Immunabwehr. Heilung ist bislang nur bei einem kleinen Teil der Patienten möglich, durch die Transplantation von Stammzellen in Verbindung mit Chemotherapie und Bestrahlung.

Bei einem Patientenseminar der „International Myeloma Foundation“ (IMF) in Heidelberg, an dem mehr als 300 Patienten aus ganz Europa teilnahmen, stellten Experten aus Deutschland, Schweden, Österreich und den USA kürzlich neue Perspektiven in der Behandlung des Multiplen Myeloms vor, unter anderem durch Revimid; die Patienten nutzten die Gelegenheit, Krankheitsinformation aus erster Hand zu bekommen und ihre Erfahrungen untereinander auszutauschen.

Neuer Wirkstoff beseitigt Blutarmut und verhindert Gefäßwachstum

Wie Thalidomid hat auch Revimid eine komplexe Wirkung auf das Immunsystem: Es beeinflusst die Bildung von Immunstoffen wie dem Interleukin-6 oder des Tumornekrosefaktors und hemmt die Ausbildung von Blutgefäßen, die wiederum die bösartige Zellwucherung im Knochenmark begünstigen. Klinische Studien in den USA haben einen positiven Effekt auf die bei Myelom-Patienten häufige Anämie nachgewiesen, die bislang nur mit Buttransfusionen behandelt werden kann: Etwa 70 Prozent der Patienten sprachen auf Revimid an, es konnte auf eine Transfusion verzichtet werden.

„Die Studie ist für ein Jahr geplant und läuft im Oktober 2003 an. Patienten und ihre Ärzte können eine Teilnahme anmelden,“ sagt Professor Goldschmidt. Voraussetzungen sind eine rezidivierte Myelomerkrankung (erstes bis drittes Rezidiv), keine schwere Nervenerkrankung und ein ausreichend guter allgemeiner körperlicher Zustand.

Ansprechpartner:

Professor Dr. Hartmut Goldschmidt
Leitender Oberarzt der Abteilung für Hämatologie und Onkologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel: 06221 / 56 8008
E-Mail: Hartmut_Goldschmidt@med.uni-heidelberg.de

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Dr. Annette Tuffs idw

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