Neue Erkenntnis über tropfende Dichtungen
Dichtungen erfüllen eine wichtige Funktion in allen möglichen Geräten, vom Raumschiff bis zum Wasserhahn. Die geläufigste Form besteht aus einem Gummiring und zwei festen Anschlussteilen. Wie gut Flüssigkeiten zurückgehalten werden, hängt in erster Linie davon ab, wie eng die Dichtung anliegt.
Da alle Oberflächen auf mikroskopischer Ebene uneben und rau sind, liegen Dichtungsring und Anschlussstück nie völlig lückenlos aufeinander. In die kleinen Poren und Kanäle an der Kontaktstelle dringt Flüssigkeit ein, die über nach draußen durchgehende Wege austritt. Verhindern lässt sich das, indem man die Dichtung fester anzieht. Das elastische Gummi wird dann in die mikroskopischen Unebenheiten gepresst, die Kontaktfläche vergrößert sich und verschließt mehr Lücken, sodass weniger Flüssigkeit entweicht.
Mit ihrer Arbeit tragen Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich und der Universität des Saarlandes dazu bei, besser zu verstehen, was passiert, wenn eine Dichtung leckt. Theoretische Modelle konnten die Zusammenhänge bisher nur unzureichend beschreiben. Ältere Modelle vernachlässigten die Elastizität des Dichtungsmaterials, anders als die aktuelle Theorie von Bo N. J. Persson, einem Mitautor der Studie aus dem Jülicher Peter Grünberg Institut. Diese enthielt allerdings einige nicht bestätigte Annahmen: „Die Vorhersagen waren besser, als sie sein sollten“, berichtet Prof. Martin Müser, Leiter des Lehrstuhls für Materialsimulation der Universität des Saarlandes und der Forschungsgruppe „Computational Materials Physics“ im John von Neumann-Institut für Computing am Forschungszentrum Jülich. „Mit den Simulationen wollten wir die Vorgänge auf mikroskopischer Ebene besser verstehen, als es experimentell möglich ist.“
Überraschenderweise müssen sich demnach nur 42 Prozent der Oberflächen von Dichtung und Anschlussstück direkt berühren, um die Verbindung undurchlässig abzuschließen – und nicht 50 Prozent, wie von bisherigen Theorien vorhergesagt. Grund dafür ist in erster Linie eine präzisere Ermittlung der Kontaktfläche. Die Forscher hatten erstmals die Elastizität des Dichtungsmaterials in die Computersimulationen miteinbezogen. Dabei zeigte sich: Mikroskopisch kleine Erhöhungen der Oberfläche, die in das weiche Gummi gepresst werden, berühren die Dichtung nicht vollständig, sondern lassen weitere kleine Lücken entstehen. Das Ergebnis könnten dazu beitragen, die Durchlässigkeit von alternden Dichtungen besser einzuschätzen. Die Jülicher Forschungsgruppe arbeitet bereits mit einem Unternehmen aus der Medizintechnik zusammen, um die Leckrate von Gummistopfen für Spritzen zu berechnen.
Originalveröffentlichung:
Wolf B. Dapp, Andreas Lücke, Bo N. J. Persson, Martin H. Müser
Self-affine elastic contacts: percolation and leakage
Phys. Rev. Lett. 108, 244301 (2012)
DOI: 10.1103/Physics.5.66
Abstract: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v108/i24/e244301
Weitere Informationen:
Pressemitteilung mit Bildmaterial unter
http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2012/12-06-18Dichtungen.html
American Physical Society, Focus Article: Plugging Leaks in Seal Models: http://physics.aps.org/articles/v5/66
Jülich Supercomputing Centre am Forschungszentrum Jülich:
http://www.fz-juelich.de/ias/jsc/DE/Home/home_node.html
Peter Grünberg Institut, Bereich Quanten-Theorie der Materialien am Forschungszentrum Jülich:
http://www.fz-juelich.de/pgi/pgi-1/DE/Home/home_node.html
Lehrstuhl für Materialsimulation an der Universität des Saarlandes: http://www.lms.uni-saarland.de/
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Martin Müser
Tel. 02461 61-9095
m.mueser@fz-juelich.de
Pressekontakt:
Tobias Schlößer
Tel. 02461 61-4771
t.schloesser@fz-juelich.de
Das Forschungszentrum Jülich…
… betreibt interdisziplinäre Spitzenforschung, stellt sich drängenden Fragen der Gegenwart und entwickelt gleichzeitig Schlüsseltechnologien für morgen. Hierbei konzentriert sich die Forschung auf die Bereiche Gesundheit, Energie und Umwelt sowie Informationstechnologie. Einzigartige Expertise und Infrastruktur in der Physik, den Materialwissenschaften, der Nanotechnologie und im Supercomputing prägen die Zusammenarbeit der Forscherinnen und Forscher. Mit rund 4 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, zu den großen Forschungszentren Europas.
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