Materialien, die breiter werden, wenn man daran zieht

Wissenschaftler an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beschäftigen sich mit Materialien, die ganz gegensätzlich reagieren: Sie werden beim Strecken breiter und beim Zusammendrücken schmaler.

Diese neuen – so genannten auxetischen – Materialien besitzen wertvolle mechanische Eigenschaften: Sie können viel Energie aufnehmen oder sind besonders bruchfest und lassen sich in der Praxis vielseitig einsetzen: beispielsweise in Stoß- und Schalldämpfern oder auch als Knochenersatzstoffe und Implantate in der Medizintechnik.

Die Erlanger Forscher aus den Bereichen Leichtbau und Modellierung des Exzellenzclusters Engineering of Advanced Materials haben diese ungewöhnlichen Strukturen entworfen und optimiert. Darüber berichten sie in zwei Aufsätzen der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Advanced Materials: „Design of Auxetic Structures via Mathematical Optimization” von J. Schwerdtfeger, F. Wein, G. Leugering, R. F. Singer, C. Körner, M. Stingl und F. Schury (DOI: 10.1002/adma.201004090) und „Finding Auxetic Frameworks in Periodic Tessellations“ von H. Mitschke, J. Schwerdtfeger, F. Schury, M. Stingl, C. Körner, R. F. Singer, V. Robins, K. Mecke and G. E. Schröder-Turk (DOI: 10.1002/adma.201100268).

Auxetische Materialien sind physikalisch durch eine negative Querkontraktionszahl charakterisiert, einer Größe aus der Mechanik bzw. Festigkeitslehre, die das Verhalten eines Körpers unter dem Einfluss einer Zugkraft bzw. Druckkraft beschreibt. Ihre komplexen Strukturen und Geometrien wurden in interdisziplinären Clusterprojekten, an denen Mathematiker, Physiker und Werkstoffwissenschaftler beteiligt sind, durch Modellierung und Simulation zunächst im Computer entwickelt und in einem zweiten Schritt dann mit einem Rapid-Manufacturing-Verfahren, dem selektiven Elektronenstrahlschmelzen, produziert. Dabei wird das Bauteil mit Hilfe eines Elektronenstrahls durch selektives Schmelzen schichtweise aus Metallpulver aufgebaut. Die so erzeugten Bauteile zeigen deutlich verbesserte mechanische Eigenschaften, ein Beleg für gute Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen mechanischen Eigenschaften. Hier zeigt sich das große Potenzial der Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren in der Kombination aus physikalischer Modellierung, mathematischer Strukturoptimierung und präziser Fertigung.

Neben dem optimalen Design auxetischer zellularer Metalle spielt die Modellierung und Simulation auch in vielen anderen Bereichen im Erlanger Exzellenzcluster eine entscheidende Rolle, so etwa im Bereich der Computerchemie oder bei der Entwicklung optischer Metamaterialien auf der Nanoskala. Über ihre Forschungsarbeit berichten die Wissenschaftler in 20 Aufsätzen des Sonderbands „Hierarchical Structures Towards Functionality“ der Zeitschrift Advanced Materials, der ganz dem Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials gewidmet ist. (Online-Ausgabe unter http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adma.v23.22/23/issuetoc).

Für den Band haben mehr als 60 Wissenschaftler aus allen acht Disziplinen des Clusters mehr als ein Jahr geplant und geschrieben, bis das fast 200 Seiten umfassende Heft fertig gestellt war. Es enthält verschiedene Übersichtsartikel aus den Materialbereichen Nanoelektronik, Optik und Photonik, Katalyse und Leichtbau, die Aspekte der bisher im Exzellenzcluster geleisteten Forschung zusammenfassen sowie neun Artikel mit aktuellsten und erstmals publizierten Ergebnissen. „Wir sind sehr stolz, mit dieser Sonderausgabe in Advanced Materials, einer der international bedeutendsten materialwissenschaftlichen Fachzeitschriften, unseren aktuellen Forschungs- und Arbeitsstand international sichtbar und auf höchstem wissenschaftlichem Niveau darstellen zu können. Vor der anstehenden Begutachtung für eine zweite Förderperiode des Exzellenzclusters von 2012 bis 2017 ist dies ein wichtiger Beleg für die herausragende Leistungskraft und ein Alleinstellungsmerkmal des Clusters“, sagt Professor Dr. Wolfgang Peukert, Sprecher des Exzellenzclusters Engineering of Advanced Materials und einer der drei Gastherausgeber.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Wolfgang Peukert
Tel. 09131/85-29400
w.peukert@lfg.uni-erlangen.de

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Dr. Pascale Anja Dannenberg idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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