Kleben verbindet

Aus den Düsen der Atmosphärendruck- Plasmaanlage tritt Plasma aus. Es verändert die Oberfläche des Werkstoffs, damit der Klebstoff besser haftet. ©Fraunhofer-Gesellschaft


Überall wird geklebt – egal, ob in der Automobil-, Luftfahrt-, Schienenfahrzeug- und Schiffbauindustrie oder im Lebensmittel-, Medizin- und Hygienebereich. Kleben fügt Werkstoffe schonend und dauerhaft zusammen. Allerdings fehlen qualifizierte Fachkräfte für diese Fügetechnik. Das Fraunhofer-Institut in Bremen bietet europaweit die erste Weiterbildung zum Klebfachingenieur, dem European Adhesive Engineer, an.

Kleben verbindet: Klebstoff fügt die zerbrochene Vase zusammen, haftet die Briefmarke auf die Postkarte und befestigt neue Absätze an Schuhen. Auch in der Industrie gewinnt das Kleben zunehmend an Bedeutung. »Denn diese leistungsfähige Fügetechnik kann sehr flexibel eingesetzt werden. Sie verbindet nahezu alle Werkstoffe hochfest und dauerhaft miteinander«, beschreibt Prof. Dr. Andreas Groß, Leiter des Klebtechnischen Zentrums am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM die Vorzüge des Klebens. Ob Windschutzscheiben im Pkw, Seitenteile aus Verbundwerkstoffen bei Straßenbahnen oder künftig auch der kohlefasernverstärkte Kunststoff-Rumpf des Airbus A3XX – immer häufiger werden Bauteile mit speziellen Klebstoffen verbunden. Dabei werden sogar völlig unterschiedliche Materialien wie Kunststoff und Aluminium oder Verbundwerkstoffe und Stahl zusammengefügt.

Die materialschonende Verbindungstechnik ist besonders bei neuen Hochleistungswerkstoffen gefragt. Denn beim Kleben werden die Materialien weder erhitzt – wie beim Schweißen oder Löten – noch verletzt – wie beim Nieten und Schrauben. »Die Ansprüche an neue Produkte steigen ständig. Sie sollen immer leichter und stabiler werden«, beschreibt Andreas Groß die Entwicklung in der Produktion. Dazu werden aber auch immer leistungsfähigere Werkstoffe benötigt. »Doch je spezifischer ein Werkstoff ist, desto empfindlicher ist er auch«, erläutert der Experte. Leichte und hochwertige Materialien wie zum Beispiel glasfaserverstärkte Kunststoffe zersetzen sich bei hohen Temperaturen oder brechen beim Durchbohren. Solche Materialien können unter Erhalt ihrer Werkstoffeigenschaften nicht geschweißt, gelötet, genietet oder geschraubt werden. Das Kleben ist dagegen universell einsetzbar: Es fügt Leichtbauwerkstoffe oder sogar miniaturisierte Bauteile exakt und zuverlässig zusammen. Daher setzen Automobil-, Schienenfahrzeug-, Luftfahrt- und Schiffbauindustrie zunehmend Klebtechnik ein.

Für die innovative Fügetechnik benötigt die Industrie gut ausbildete Fachkräfte. Denn beim Kleben ist die Anzahl der Materialien, Oberflächen- und Prozessparameter erheblich größer als bei den herkömmlichen Verbindungsverfahren. Zudem hat sich das Kleben wie keine andere Fügetechnik in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. »Modernes Hochleistungskleben ist heute ohne den Einsatz von Informationstechnologie- Werkzeugen kaum noch denkbar. Erst mit Hilfe leistungsfähiger Computerprogramme sind die komplexen Zustände einer beanspruchten Klebverbindung transparent und schnell vorhersagbar«, betont Groß.

Um Mitarbeiter für solche oder andere neue High-Tech-Berufe zu qualifizieren, bietet die Fraunhofer-Gesellschaft gezielt Weiterbildungen an. So startet das Klebtechnische Zentrum – KTZ am Fraunhofer IFAM eine neuartige Fortbildung zum Klebfachingenieur. Ingenieure und Naturwissenschaftler können sich zum European Adhesive Engineer ausbilden lassen. Die Weiterbildung führt unter anderem in die Klebtechnik ein, erläutert chemische, physikalische und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen und informiert anhand von anwendungsbezogenen Beispielen über den Einsatz von Klebtechniken. Der Abschluss wird in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft anerkannt.

Die Weiterbildung startete am 15. Januar 2001. Insgesamt haben sich 26 Teilnehmer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zu der Fortbildung angemeldet. Sie kommen aus dem Schienenfahrzeugbau, der Automobil- und Zulieferindustrie sowie von Klebstoffherstellern. Der erste Lehrgang ist damit vollständig ausgebucht. Die nächste Fortbildung ist bereits in der Planung.

Ansprechpartner:
Andreas Groß
Telefon 04 21/22 46-4 37, Telefax 04 21/22 46- 4 30
E-Mail: gss@ifam.fhg.de
Klebtechnisches Zentrum im Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung
Wiener Straße 12, 28359 Bremen

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Dr. Johannes Ehrlenspiel idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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