Risse stoppen durch "Aikido"

Das Versagen eines Bauteils kann schwere Sach- und Personenschäden nach sich ziehen. Grund des Versagens sind oft Risse. Biomechaniker des Karlsruher Instituts für Technologie haben nun eine neuartige Versagensbarriere entwickelt, die einen kontrollierten Weiterbetrieb des geschädigten Bauteils ermöglicht. Gegenüber bisherigen Methoden ist die weitere Einsatzdauer bis zum Ersatz des Bauteils um einen Faktor 35 verlängert.

Versagt ein mechanisch beanspruchtes Bauteil, können daraus Sach- und Personenschäden folgen. In vielen Fällen sind es Risse, die das Versagen bewirken. Um ein rissbehaftetes Bauteil bis zum Ersatz weiter betreiben zu können, wurden in der Vergangenheit häufig die Rissspitzen weggebohrt. Ein rundes Loch galt als weniger gefährlich als eine scharfe Rissspitze. An Spannungsmaxima des runden Loches entstanden jedoch regelmäßig neue Risse, die dann ebenfalls weggebohrt wurden. Das Bauteil wurde so immer weiter geschwächt.

Nun wurde in der Abteilung Biomechanik am Institut für Materialforschung II im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine neue Risstherapie entwickelt: Dabei wird an der Spitze des durch die Belastung entstandenen Risses senkrecht zu dessen ursprünglichem Verlauf künstlich ein so genannter „Aikido-Riss“ angebracht. Aikido steht dabei für das Prinzip, die Kraft eines gegnerischen „Angriffs“ umzuleiten.

Die Risse werden so umgelenkt, dass die Rissspitzen in Druckzonen laufen. Die Rissspitzen werden dort zusammengedrückt und stoppen dadurch von selbst. Damit die neue Risskontur keine Sekundärrisse startet, wird sie nach dem Vorbild der Natur formoptimiert. In Schwingversuchen wurde festgestellt, dass durch diese Behandlung von Rissen die Bauteile bis zu einem Faktor 35 länger weiterleben als nach Behandlung mit herkömmlichen Methoden. Berechnungen mit Hilfe von Finiten Elementen bestätigen die drastische Verminderung der Spannungsspitzen.

„Wer seinem Reißverschluss am Hosenbund nicht traut, schnallt den Gürtel ein Loch enger“, veranschaulicht Professor Dr. Claus Mattheck, Leiter der Abteilung Biomechanik im KIT, das Verfahren. „Dadurch verringert man intuitiv gefährliche Querspannungen.“

Die neuartige Risstherapie ist ein weiterer Baustein in Matthecks Volksmechanik zur Schadensprävention: Mittels einfacher und nachvollziehbarer Methoden nach dem Vorbild der Natur werden Bauteile leichter konstruierbar und weisen bei gleichem Materialeinsatz eine deutlich erhöhte Lebensdauer auf.

Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.

Weiterer Kontakt:

Inge Arnold
Forschungszentrum Karlsruhe
Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Postfach 3640, 76021 Karlsruhe
Tel.: +49 7247 82-2861
Fax: +49 7247 82-5080
E-Mail: info@pkm.fzk.de

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Dr. Elisabeth Zuber-Knost idw

Weitere Informationen:

http://www.kit.edu

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