Gesamter Stoffwechsel eines Bakteriums simuliert

Myxoplasma genitalium: simuliert (Foto: cc microbiologyglossary.wikispaces.com)<br>

Wissenschaftlern der Stanford University ist es erstmals gelungen, einen kompletten Organismus im Computer zu simulieren. Dazu haben die Forscher 900 wissenschaftliche Arbeiten über das Bakterium Mycoplasma genitalium (MG) studiert und 1900 experimentell nachgewiesene Vorgänge in der Zelle identifiziert. Mit 28 Algorithmen, die jeweils ein Software-Modul steuern, das einen biologischen Prozess modelliert, konnten die Wissenschaftler die Funktionsweise der 525 Gene von MG in einer Simulation darstellen.

Fast echt

„Die 28 Module kommunizieren nach jedem Schritt der Simulation miteinander, was ein Ganzes ergibt, das dem realen Verhalten von MG sehr nahe kommt“, heißt es in einer Presseaussendung. Längerfristig hoffen die Forscher auch andere Organismen wie E. coli am Computer modellieren zu können. MG eignet sich besonders gut für die Simulation, weil es das kleinste bekannte Genom aller in freier Wildbahn vorkommenden Organismen hat. Das Bakterium lebt im menschlichen Genitaltrakt und Atemwegen und spielt eine Rolle bei manchen Entzündungen.

Durch die Simulation von Organismen erhoffen sich Wissenschaftler in Zukunft Änderungen simulieren zu können, ohne sie mühselig tatsächlich im Labor an lebenden Versuchsobjekten durchzuführen. Längerfristig ist sogar ein Entwerfen von Organismen am digitalen Reißbrett denkbar.

„Die langfristigen Anwendungen von Computermodellen sind unter anderem die Simulation von Stoffwechselerkrankungen und deren Therapien. Bei Produktionsorganismen könnten potenziell leistungssteigernde Eingriffe ohne aufwendige Laborversuche getestet werden“, erklärt Michael Ederer vom Institut für Systemdynamik der Universität Stuttgart http://www.isys.uni-stuttgart.de gegenüber pressetext.

Große Datenmengen

Die zu verarbeitende Datenmenge für die Simulation ist groß. Die Komplexität höherer Organismen übersteigt die derzeitigen Möglichkeiten noch. Schon E. coli ist mit 4.288 Genen erheblich komplizierter aufgebaut als MG. „Derzeit werden hauptsächlich Teilaspekte des Stoffwechsels von Organismen und einzelne Signalwege in der Zelle simuliert. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden Berechnungen für immer größere Systeme möglich“, so Ederer.

Vor allem das Zusammenspiel der einzelnen Vorgänge stellt die Forscher noch vor Probleme. „Die Komplexität der Stoffwechselvorgänge ist hoch. Es existieren vielfältige regulatorische Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Stoffwechselpfaden. Gerade die Wechselwirkungen sind teilweise nicht ausreichend experimentell charakterisiert. Zum Beispiel, kann die Produktion eines Stoffes in einem Stoffwechselpfad die Produktion in einem anderem Stoffwechselpfad aktivieren oder behindern.“, beschreibt Ederer. Je besser die Computer werden, desto höher ist auch die mögliche Komplexität der Modelle.

„Der Fortschritt bei den Rechenkapazitäten ist wichtig für das Feld. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnten lediglich sehr kleine Modelle erstellt werden. Große Modelle benötigen auch heute noch einen Rechencluster“, so Ederer. Bis menschliche Zellen komplett simuliert werden oder gar neue Organismen entworfen werden können, wird es aber noch lange dauern.

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Markus Keßler pressetext.redaktion

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