Schwächerer Golfstrom verschiebt Sturmtiefs in Richtung Europa

Die Intensität von Tiefdruckgebieten (Zyklonen) über dem östlichen Nordatlantik und Europa wird in diesem Jahrhundert zunehmen. Gleichzeitig schwächt sich der Golfstrom im Nordatlantik ab. Meteorologen der Universität zu Köln und der Universität Reading ist es gelungen, einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen nachzuweisen. Sie verglichen 22 Klimamodelle des International Panel for Climate Change (IPCC).

Der Vergleich zeigt: Je stärker die Abnahme der warmen Meeresströmungen in den einzelnen Modellen, desto mehr nimmt die Intensität der Zyklonen über dem östlichen Nordatlantik zu. Damit bestätigt sich die bereits von einigen Wissenschaftlern geäußerte Annahme: In Europa wird es voraussichtlich bis zum Ende des Jahrhunderts mehr extreme Stürme geben. Dr. Joaquim Pinto und Dr. Mark Reyers vom Institut für Geophysik und Meteorologie berichten zusammen mit ihren englischen Kollegen Dr. Tim Woollings, Dr. Jonathan Gregory und Dr. David Brayshaw in „Nature Geoscience“ über die neuen Erkenntnisse.

Dr. Joaquim Pinto ist erfreut über die Eindeutigkeit des Ergebnisses: „Wir haben bereits vermutet, dass es einen Zusammenhang geben müsste. Dass dieser aber so deutlich ist, hat uns sehr gefreut.“ Anlass der Untersuchung waren die Veränderungen in der Atmosphäre über dem Nordatlantik im globalen Klimawandel. Der Polarjet in der oberen Atmosphäre verschiebt sich nach Osten, die tiefer gelegenen Tiefdruck-Sturmgebiete folgen dieser Bewegung. Betroffen davon sind einige Gebiete in Europa, vor allem die britischen Inseln, sowie die Nord- und Ostsee.

Die 22 Klimamodelle des IPCC 2007 simulieren unter anderem die Zugbahnen von Tiefdruckgebieten. Pinto und seine Kollegen haben die Modelle ausgewertet und kommen zu folgendem Schluss: „Es gibt für die Verschiebung verschiedene Gründe. Einer davon hängt mit der thermohalinen Zirkulation im Ozean zusammen.“ Die thermohaline Zirkulation ist eine Kombination unterseeischer Strömungen, die die Ozeane der Erde miteinander verbindet. Eine der bekanntesten Strömungen ist der Golfstrom, der sehr wichtig für das Klima in Europa ist. Seit einigen Jahren ist den Wissenschaftlern bekannt, dass sich diese Zirkulation verlangsamt. Bisher gab es nur Vermutungen, dass es eine direkte kausale Verbindung zu den Stürmen gibt. „Wir haben diesen Zusammenhang nicht nur für ein Modell, sondern für das gesamte Ensemble der Modelle des IPCC nachgewiesen“, so der Meteorologe. Mit verblüffend eindeutigem Ergebnis: „Wir haben einen größtenteils linearen Zusammenhang gefunden, was so nicht zu erwarten war.“

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Verlangsamung der maritimen Förderbänder das Aufkommen von sturmträchtigen Tiefdruckgebieten beeinflusst. Je schwächer die thermohaline Zirkulation ist, desto geringer wird die Zufuhr von warmem Oberflächenwasser in den nördlichen Teil des Nordatlantiks. Dadurch nimmt das Nord-Süd-Gefälle in der Wasseroberflächen-Temperatur zu und beeinflusst somit auch das Temperatur-Gefälle in der unteren Atmosphäre. Dieser so genannte Temperaturgradient ist sehr wichtig für die Entstehung von Tiefdruckgebieten. Je höher der Temperaturgradient, desto mehr potentielle Energie steht für die Entwicklung eines Sturms zur Verfügung. Die Stürme können dadurch extremer werden.

Meteorologen und Ozeanologen in aller Welt müssen sich nun Gedanken machen, wie sensitiv ihre Modelle sind. Denn trotz Übereinstimmungen im Verhältnis zwischen den Änderungen im Ozean und in der Atmosphäre weichen die einzelnen Modelle im Ergebnis teilweise stark voneinander ab. Die Autoren fordern deswegen, dass Klimamodelle zukünftig besser kalibriert werden müssen, um die Meeresströmungen in den Modellen realistischer wiedergeben zu können und somit eine höhere Zielgenauigkeit in den Ergebnissen zu erreichen.
Bei Rückfragen: Dr. Joaquim Pinto, 0221/470-3691,
jpinto@meteo.uni-koeln.de

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Anneliese Odenthal idw

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