Solarenergie effizienter nutzen

Eine interessante Variante ist die direkte Umwandlung von Sonnenenergie in chemische Energie, beispielsweise die Erzeugung von Wasserstoff durch Spaltung von Wasser. Der momentan effizienteste, aber noch wenig verstandene Prozess ist die Titanoxid-basierte Photo-katalyse. Wissenschaftler des KIT-Instituts für Funktionelle Grenzflächen (IFG) haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem In- und Ausland die fundamentalen Mechanismen der Photochemie an Titanoxid untersucht und liefern neue detaillierte Erkenntnisse.

Obwohl die Wasserstoffgewinnung aus Wasser und Sonnenlicht mittels Oxidpulvern schon seit mehreren Jahrzehnten intensiv untersucht wird, gibt es noch immer keine befriedigende Beschreibung der zugrunde liegenden physikalischen und chemischen Mechanismen. Unter der Leitung von Professor Christof Wöll ist es Wissenschaftlern des KIT-Instituts für Funktionelle Grenzflächen (IFG) nun in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten St. Andrews (Schottland) und Bochum sowie des Helmholtz-Forschungs-zentrums Berlin gelungen, neue Erkenntnisse zu fundamentalen Mechanismen der Photochemie an Titandioxid (TiO2) zu gewinnen.

Titandioxid ist ein photoaktives Material und kommt in der Natur in den zwei Modifikationen Rutil und Anatase vor, wobei die Anatase-Form eine zehnfach höhere photochemische Aktivität besitzt. Fällt Licht auf dieses weiße Pulver, das auch als Pigment in der Malerei und als Sonnenschutzmittel eingesetzt wird, werden Elektronen in angeregte Zustände versetzt und können dann beispielsweise Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Der auf diese Weise gewonnene Wasserstoff ist ein „sauberer“ Energieträger, da bei seiner Verbrennung kein klimaschädliches Treibhausgas, sondern lediglich Wasser entsteht. Titandioxid wird auch zur Herstellung selbstreinigender Oberflächen verwendet. Dabei entfernt einfallendes Sonnenlicht durch photochemische Prozesse unerwünschte Beläge. In Krankenhäusern wird dieser Effekt zur Sterilisierung speziell beschichteter Instrumente durch Bestrahlen mit UV-Licht genutzt.

Die physikalischen Mechanismen dieser photochemischen Reaktionen an Titandioxidoberflächen und insbesondere der Grund für die viel höhere Aktivität von Anatase konnten bislang noch nicht aufgeklärt werden, da die dafür verwendeten Pulverpartikel mit nur wenigen Nanometern winzig klein sind. Solch kleine Partikel sind für die Untersuchung mit leistungsstarken Methoden der Oberflächen-analytik nicht geeignet. Daher haben die Forscher für ihre Messungen Millimeter-große Einkristalle verwendet. An derartigen Substraten konnten dann mit Hilfe eines neuartigen Infrarot-Spektrometers erstmals präzise Messungen zur Photochemie an der Oberfläche von Titandioxid durchgeführt werden.

Außerdem haben die Wissenschaftler mittels einer laser-basierten Technik die Lebensdauer von lichterzeugten elektronischen Anregungen im Inneren von TiO2-Kristallen bestimmt. Genaue Informationen über diese Prozesse sind von großer Bedeutung, wie Christof Wöll, Leiter des IFG, erklärt: „Eine kurze Lebensdauer bedeutet, dass die angeregten Elektronen sofort wieder in ihren Ausgangszustand zurück fallen. Es entsteht eine Art interner Kurzschluss. Bei einer großen Lebensdauer bleiben die Elektronen lange genug im angeregten Zustand, um die Oberfläche des Kristalls zu erreichen, wo sie dann chemische Prozesse in Gang setzen.“ Anatase ist hierfür besonders gut geeignet, weil die elektronische Struktur dieses Materials eine Besonderheit aufweist, die diesen „internen Kurzschluss“ verhindert. Die Kenntnis dieser Ursache wird es den Forschern nun erlauben, Form, Größe und Dotierung der in den Photoreaktoren eingesetzten Anatase-Partikel weiter zu optimieren. Ziel ist es, photoaktive Materialien mit höheren Wirkungsgraden und längeren Lebensdauern zu entwickeln. „Für die Erzeugung elektrischer und chemischer Energie aus Sonnenlicht haben die Ergebnisse von Wöll und Mitarbeitern eine große Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Optimierung von Photoreaktoren,“ sagt Professor Olaf Deutschmann, Sprecher des Helmholtz-Graduiertenkollegs „Energy-related Catalysis“.

Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift Physical Review Letters publiziert. Die Online-Version des Artikels ist abrufbar unter: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v106/i13/e138302

Mingchun Xu, Youkun Gao, Elias Martinez Moreno, Marinus Kunst, Martin Muhler, Yuemin Wang, Hicham Idriss, Christof Wöll, Phys. Rev. Lett. 106, 138302 (2011)

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Weiterer Kontakt:

Inge Arnold
Presse, Kommunikation und
Marketing
Tel.: +49 721 608-22861
Fax: +49 721 608-25080
E-Mail: inge.arnold@kit.edu

Media Contact

Monika Landgraf idw

Weitere Informationen:

http://www.kit.edu

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik

Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neuartiges Material für nachhaltiges Bauen

Innovativer Werkstoff für eine energieeffiziente Architektur: Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stellen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications ein polymerbasiertes Material mit besonderen Eigenschaften vor. Das…

Neues Antibiotikum gegen Erreger der Flussblindheit und Lymphatischen Filariose

Prof. Achim Hoerauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), und seinem Team ist es in Kollaboration mit der Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie…

Evolutionäre Genomik: Folgen biodiverser Fortpflanzungssysteme

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Einrichtung eines neuen Graduiertenkollegs (GRK) in der Biologie an der Universität Göttingen. Das GRK mit dem Titel „Evolutionary Genomics: Consequences of Biodiverse Reproductive Systems…

Partner & Förderer