Wie unser Zwischenhirn optische Reize mit Zusatzinformationen versorgt

Kontext ist essenziell: Die Personen auf dem Bild sind gleich gross, erscheinen aber mit zunehmender Entfernung grösser. Universität Basel, Sonja Hofer

Sobald wir morgens die Augen aufschlagen, wird unser Gehirn mit optischen Reizen überflutet. Dabei werden diese zunächst zum sogenannten Zwischenhirn und anschließend zur Sehrinde weitergeleitet. Die Sehrinde, der größte Teil des menschlichen Gehirns, ist dafür zuständig, die optischen Reize zu verarbeiten.

Das optische Zwischenhirn wurde bislang vor allem als Transferstation zwischen Auge und Cortex angesehen. Die Forschungsgruppe von Prof. Sonja Hofer am Biozentrum der Universität Basel hat nun im Mausmodell herausgefunden, dass ein spezieller Bereich des Zwischenhirns, das sogenannte Pulvinar, die Sehrinde mit zusätzlichen, nicht-optischen Informationen versorgt.

Zusatzinformationen sind essentiell für den Sehprozess

Was wir sehen, hängt nicht nur von den Signalen ab, die das Auge ans Gehirn schickt, sondern sehr stark auch vom Kontext, in dem ein optischer Reiz erscheint, sowie von unserem Vorwissen und unseren Erwartungen. Am Beispiel der optischen Täuschung (vgl. Bild) zeigt sich, wie stark nicht-optische Kontextinformationen auf unsere Wahrnehmung wirken können.

Die Sehrinde erhält diese Zusatzinformationen von anderen Gehirnregionen und benutzt sie, um optische Reize richtig einordnen und interpretieren zu können. Die Wissenschaftler haben erstmals die Informationen gemessen, die das Zwischenhirn an die Sehrinde sendet, und gezeigt, dass das Pulvinar nicht nur optische Reize weiterleitet, sondern eine der Gehirnregionen ist, die Zusatzinformationen über den Kontext dieser Reize übermittelt.

Bewegungen in der Umwelt werden effektiv wahrgenommen

Darüber hinaus ist es den Forschern gelungen, diese Zusatzinformationen genauer zu identifizieren. Es handelt sich unter anderem um Signale über plötzliche, unerwartet auftretende Bewegungen in der Umwelt, die nicht durch die Bewegung des Lebewesens selbst ausgelöst wurden.

«Solche optischen Reize, die das Gehirn nicht vorherbestimmen kann, können besonders wichtig sein, wie ein plötzlich auftauchendes Auto, oder im Falle der Maus vielleicht ein sich näherndes Raubtier. Solche Reize können mit Hilfe des Pulvinars vermutlich besonders effektiv wahrgenommen werden», sagt Dr. Morgane Roth, eine der Autoren der Studie.

Obwohl das Pulvinar im menschlichen Gehirn den größten Teil des Zwischenhirns darstellt, ist seine Funktion noch weitgehend ungeklärt. Mit dieser Studie konnte die Forschungsgruppe die Arbeitsweise dieses mysteriösen Teils des Gehirns um einen weiteren Schritt aufklären.

Zudem ist bekannt, dass die Sehrinde wiederum Signale an das Pulvinar zurücksendet, so dass die Informationen wie in einer Schleife hin und her strömen. Weshalb das so ist, ist aber vollkommen unklar. Das Team von Hofer plant nun, diese Informationsschleifen zwischen Sehrinde und Pulvinar genauer zu untersuchen und zu klären, wie Signale aus dem Pulvinar die Wahrnehmungen und das Handeln eines Lebewesens beeinflussen.

Originalartikel

Morgane M. Roth, Johannes C. Dahmen, Dylan R. Muir, Fabia Imhof, Francisco J. Martini, Sonja B. Hofer
Thalamic nuclei convey diverse contextual information to layer 1 of visual cortex.
Nature Neuroscience (2015) | doi:10.1038/nn.4197

Weitere Auskünfte

Heike Sacher, Universität Basel, Kommunikation Biozentrum, Tel. +41 61 267 14 49, E-Mail: heike.sacher@unibas.ch

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