Langkettige Fettsäuren beeinflussen nicht die Bildung von Gedächtnis- und regulatorischen T-Zellen

v.l.: Dr. Luciana Berod, Brenda Raud TWINCORE

Ob T-Helferzelle, zytotoxische T-Zelle, regulatorische T-Zelle oder Gedächtniszelle: Zellen, die eine schnelle Immunantwort bei einer akuten Infektion begleiten, greifen auf schnell verfügbare Energiequellen wie etwa Glukose zu.

Für Zellen, die langfristig für das Gedächtnis oder die Regulation des Immunsystems verantwortlich sind, sei der Stoffwechsel langkettiger Fettsäuren überlebenswichtig, besagt eine der Theorien, die den Einfluss des Stoffwechsels auf die Entstehung unserer hochspezialisierten, unterschiedlichen T-Zellen zu erklären versuchen.

Ist die Verarbeitung der langkettigen Fettsäuren im Zellkraftwerk, den Mitochondrien, gestört, seien auch das Gedächtnis und die Regelmechanismen des Immunsystems gestört. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Infektionsimmunologie des TWINCORE haben nun gemeinsam mit Partnern der University of California (USA), der McGill University (Kanada) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig gezeigt, dass diese Theorie nicht haltbar ist: Der Abbau langkettiger Fettsäuren hat keinen erkennbaren Einfluss auf die Bildung und Funktion regulatorischer T- und Gedächtniszellen.

Um den Einfluss des Fettsäurestoffwechsels auf die T-Zellen untersuchen zu können, müssen die Forschenden tief in das Innere der Zelle vordringen: Eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung langkettiger Fettsäuren spielt das Enzym CPT1, das auf der Membran der Mitochondrien sitzt.

Dieses Enzym lässt sich mit dem Wirkstoff Etomoxir blockieren – und genau diese chemische Blockade ist die experimentelle Grundlage zu der Theorie, dass regulatorische T-Zellen und Gedächtniszellen unbedingt langkettige Fettsäuren benötigen: Nach der Gabe von Etomoxir, war die Funktion der Zellen stark gestört. „Wir haben versucht, diese Ergebnisse nachzuvollziehen, aber nicht über den Wirkstoff Etomoxir, sondern, indem wir CPT1 genetisch ausgeschaltet haben“, sagt Brenda Raud, Nachwuchswissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Wirt-Pathogen Interaktionen und Immunmetabolismus. Den Hintergrund erläutert Dr. Luciana Berod, die Leiterin der Arbeitsgruppe:

„Wir wollten verstehen, was genau in den T-Zellen vorgeht – welche Rolle lang- und kurzkettige Fettsäuren bei der Differenzierung in die verschiedenen Zelltypen spielen, denn unser Ziel ist, das Immunsystem bei der Abwehr von Krankheitserregern über gezielte Eingriffe in den Stoffwechsel zu unterstützen. Dafür müssen wir erst einmal genau wissen, was in den Zellen vor sich geht.“

Also haben sie das Enzym CPT1 genetisch aus den T-Zellen entfernt und damit ebenfalls verhindert, dass die Zellen langkettige Fettsäuren verarbeiten können. Die Erwartung: Die Zellen sollten nicht in der Lage sein, sich zu regulatorischen- oder Gedächtniszellen zu entwickeln. „Das Ergebnis dieser Untersuchungen war allerdings sehr überraschend“, sagt Brenda Raud. „Den Zellen ging es sehr gut, und es gab keinerlei Hinweise auf die erwartete Fehlfunktion.“

Wie kann es sein, dass die Blockade des gleichen Enzyms auf unterschiedlichen Wegen zu so grundlegend verschiedene Ergebnissen führt? „Nachdem alle Kontrollen der genetischen Abschaltung gezeigt haben, dass das Enzym CPT1 tatsächlich ausgeschaltet ist, haben wir die pharmakologische Methode, auf der die Theorie basiert, untersucht“, sagt Brenda Raud. Und der Teufel steckte bei der Anwendung von Etomoxir im Detail – in diesem Fall in der Dosierung.

Etomoxir blockiert das Enzym CPT1 bereits in sehr geringen Dosierungen – und das auch sehr zuverlässig. In den Studien, die die Abhängigkeit der langfristig arbeitenden Zellen vom Stoffwechsel langkettiger Fettsäuren zeigen, wurde Etomoxir jedoch in deutlich höheren Dosen verwendet. „Und das ist der Knackpunkt: Wir haben herausgefunden, dass die Wirkung von Etomoxir bei hohen Dosen deutlich weiter geht und der Wirkstoff alle Abbauprozesse in den Mitochondrien blockiert, nicht nur die der langkettigen Fettsäuren. Und ohne Energiestoffwechsel sind natürlich viele Funktionen der T-Zellen gestört.“

Daher schienen die Zellen durch den vermeintlichen Abbruch des Stoffwechsels langkettiger Fettsäuren blockiert. Damit lag der Schluss nahe, dass langkettige Fettsäuren essentiell für die Bildung von regulatorischen- und Gedächtniszellen sind – das war allerdings nur die halbe Wahrheit.

„Dass der Fettsäurestoffwechsel die Funktion der T-Zellen weitreichend beeinflusst, ist unbestritten – lediglich die Rolle der langkettigen Moleküle muss unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden.“, sagt Institutsleiter Prof. Tim Sparwasser. Vielleicht spielen spezielle Energiequellen wie langkettige Fettsäuren in anderen Immunzellen eine Rolle – etwa in Immunzellen, die sich nicht frei im Blut bewegen und unbegrenzten Zugang zu Nährstoffen haben, sondern in der Haut oder im Fettgewebe sesshaft sind? „Die Bedeutung von Fettsäuren in Geweben rückt jedenfalls durch diese Erkenntnisse in den Fokus.“

Publikation

Raud, B., D. G. Roy, A. S. Divakaruni, T. N. Tarasenko, R. Franke, E. H. Ma, B. Samborska, W. Y. Hsieh, A. H. Wong, P. Stüve, C. Arnold-Schrauf, M. Guderian, M. Lochner, S. Rampertaap, K. Romito, J. Monsale, M. Brönstrup, S. J. Bensinger, A. N. Murphy, P. J. McGuire, R. G. Jones, T. Sparwasser and L. Berod (2018). “ Etomoxir actions on regulatory and memory T cells are independent of Cpt1a-mediated fatty acid oxidation.“ Cell Metabolism. In press.

https://www.twincore.de/infothek/infothek-news-details/news/langkettige-fettsaeu…

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