Knochenmark kann Zwangsstörungen heilen

Psychische Erkrankungen hängen mit Defekten des Immunsystem zusammen. Das behauptet Mario Capecchi von der University of Utah, Medizin-Nobelpreisträger von 2007.

In der Fachzeitschrift „Cell“ berichtet der Genetiker, dass er Mäuse, die an zwanghaftem Haareausreißen litten, durch eine Knochenmarks-Transplantation heilen konnte. Diese half den Tieren, einen Mangel bestimmter Immunzellen auszugleichen. „Die Forschung sollte über mögliche immun-basierte Therapien für psychiatrische Störungen nachdenken“, so Capecchi.

Zwanghaftes Haareausreißen – im Fachausdruck Trichotillomanie genannt – ist eine schwere psychische Erkrankung, bei denen Betroffene zum Abbau von Stress und Spannungen ungewollt die Haare zupfen. Das Leiden betrifft rund 1,9 bis 2,5 Prozent der Menschheit, seine Ursachen lagen jedoch bisher völlig im Dunkel. Hypothesen gingen in Richtung Umweltfaktoren wie Kindheitserlebnisse, wie es auch Hinweise für genetische Veranlagung gab (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/090707030/ ).

Hilfe durch Ergänzung von Immunzellen

Capecchi konnte nun die zweite Erklärung bestätigen. Er testete Mäuse mit einer Störung, die sie veranlasst, sich selbst ständig mit Pfoten und Zähnen putzen und dabei ihr Fell allmählich zu verlieren. Schon zuvor hatte er zeigen können, dass dies mit einem Defekt im Gen Hoxb8 zusammenhängt, der zu einem Mangel an Mikroglia-Zellen führt. Diese Zellen des Immunsystems werden im Knochenmark gebildet und wandern über das Blut ins Gehirn, wo sie Krankheitserreger erkennen und beseitigen.

Nun gelang den Forschern ein entscheidender weiterer Schritt. Sie setzten den erkrankten Mäusen Knochenmark aus gesunden Artgenossen ein. In Folge normalisierte sich das Verhalten, das Haar wuchs wieder und die Wunden heilten aus. Gesunde Mäuse, denen man Knochenmark mit Hoxb8-Mutation einpflanzte, entwickelten hingegen denselben Zwang, was die Richtigkeit der Annahme bestätigte. Die Wissenschaftler vermuten, dass die defekten Immunzellen über Hormonausschüttungen die Neurose im Zentralnervensystem auslösen.

Hoffnung für weitere Krankheitsbilder

Capecchi sieht das Ergebnis als Hinweis, dass auch weitere neuropsychiatrische Leiden mit der Immunabwehr zusammenhängen könnten. „Untersucht man depressive Menschen, so zeigt sich oft, dass ihr Immunsystem nicht richtig funktioniert“, so Capecchi. Zudem gebe es Anzeichen dafür, dass Gene, die mit dem Auftreten von Depression, Schizophrenie, Zwangsstörungen, bipolare Störungen und Autismus zusammenhängen, „auch im Immunsystem eine Rolle spielen“.

Abstract zum Originalartikel unter
http://www.cell.com/abstract/S0092-8674%2810%2900546-5

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Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.utah.edu

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