Das Immunsystem der Pflanzen ist stark!

„Die Abwehr einer Pflanze gegen Krankheitserreger umfasst viele verschiedene Stoffwechselreaktionen, die erst bei einer Infektion eingeschaltet werden“, sagt Uwe Conrath. „Ob eine Pflanze einen Erreger erfolgreich abweist, hängt aber davon ab, dass sie ihre Abwehrreaktionen nach der Infektion frühzeitig einschaltet, noch bevor die Krankheit überhand nimmt.“ Das Abwehrsystem von Pflanzen ist Conraths Spezialgebiet. Der Professor ist Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Biochemie und Molekularbiologie der Pflanzen an der RWTH Aachen.

Gurken sind zum Beispiel anfällig für den Pilz „Colletotrichum lagenarium“. Der Erreger verursacht gelbe Flecken aus abgestorbenen Zellen, die auf den Früchten oft einen schwarzen Rand haben. Wenn man diese Flecken mit Sporen des Pilzes gezielt auf nur einem Keimblatt der noch jungen Gurkenpflanze hervorruft, so werden danach alle Teile der Gurkenpflanze gegen den Pilz resistent. Die so genannte „systemische Immunität“ erfolgt aber nur, wenn die Erstinfektion frühzeitig erfolgt und dabei Zellen absterben. Dann hat die Pflanze ausreichend Zeit, um ihre Immunität aufzubauen. Diese sensibilisiert die Pflanze derart, dass sie ihre Abwehr bei einem Zweitbefall schneller anschalten kann.

Sensibilisierung lässt Pflanzen gut gedeihen

Conrath verwendete für den Prozess der Sensibilisierung den Begriff „Priming“. Bis vor wenigen Jahren war aber vollkommen unbekannt, wie das Priming in der Pflanze funktioniert. In einem viel beachteten Forschungsbericht zeigten er und sein Team, dass die Pflanze nach der Erstinfektion Eiweißmoleküle synthetisiert, die für eine erfolgreiche Abwehr von Krankheitserregern dringend notwendig sind. Diese Moleküle sind nach dem Erstbefall in der gesamten Pflanze vorzufinden. „Allerdings schlummern sie dort und werden nur dann aktiv, wenn die Pflanze tatsächlich noch einmal von einem Krankheitserreger angegriffen wird“, betont der Molekularbiologe. Ihr vermehrtes Vorkommen beschleunigt die Abwehr und macht die Pflanze resistent. Mit der Erfahrung der ersten Infektion funktioniert die Abwehr bei einer zweiten Attacke also besser.

Die Stärkung der natürlichen Immunität ist eine gute Alternative – „zumindest eine sinnvolle Ergänzung“ – zu giftigen Chemikalien. Denn auch die von den Züchtern bereitgestellten Sorten von Kulturpflanzen sind nicht vollkommen immun, und ansteckende Rassen von Krankheitserregern bilden sich immer wieder aufs Neue. Eine viel versprechende Strategie im modernen Pflanzenschutz ist deshalb die Entwicklung von Substanzen, die sowohl Krankheitserreger töten, als auch Pflanzen primen können. Gerade Nutzpflanzen wie Weizen, Soja und Mais können mithilfe des Primings nachgewiesenermaßen gezielt auf Krankheitserreger und sogar auf Trockenheit vorbereitet werden.

Priming gegen Krankheiten des Menschen

Die Epigenetik beschäftigt sich mit Veränderungen im Erbmaterial, die keinen Einfluss auf die DNA-Sequenz haben. Sie spielen bei wichtigen biologischen Prozessen eine Rolle, zum Beispiel bei der Ausbildung des Gedächtnisses oder bei der Verhinderung des unkontrollierten Zellwachstums, dem Krebs. Conrath und seine Mitarbeiter berichteten in einer aktuellen Arbeit, dass es nach einer Infektion von nur einem Blatt in der gesamten Pflanze auch zu epigenetischen Änderungen kommt. Diese bereiten Abwehrgene derart vor, dass diese bei einem Zweitbefall schneller angeschaltet werden können. Daraus resultiert die „geprimte Immunreaktion“. Interessant ist, dass das Priming auch in Menschen und Wirbeltieren vorkommt, in diesen Organismen aber noch kaum erforscht ist. Folglich können die aktuellen Forschungsarbeiten von Conrath und seinen Mitarbeitern nicht nur für den Schutz unserer Ernährung, sondern auch für die Humanmedizin von großer Wichtigkeit sein.

Die Forschungsarbeiten zur systemischen Immunität von Pflanzen an der RWTH Aachen wurden aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus Exzellenzmitteln des Bundes und der Länder gefördert.

Weitere Informationen erteilt Professor Dr. rer.nat. Uwe Conrath vom Lehr- und Forschungsgebiet Biochemie und Molekularbiologie unter: +49(0)241/80-26540 oder uwe.conrath@bio3.rwth-aachen.de.

CELINA BEGOLLI

Media Contact

Thomas von Salzen idw

Weitere Informationen:

http://www.rwth-aachen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer