Egoistisches Dornröschen – wie künstliches springende Gen in Zellzyklus eingreift

Können „springende Gene“als Werkzeug für die Gentherapie eingesetzt werden? Welche Auswirkungen haben sie auf die Wirtszelle? Und wie repariert die Zellmaschinierie Schäden an der DNA, die diese springenden Gene, auch Transposons genannt, verursachen? Mit diesen Fragen befassen sich Dr. Zoltán Ivics und Dr. Zsuzsanna Izsvák vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch seit einigen Jahren. Aus springenden Genen von Fischen, die vermutlich vor rund 20 Millionen Jahren aktiv gewesen waren, entwickelten sie ein künstliches Transposon, das sie „Dornröschen“ (Sleeping Beauty) nannten, weil sie es nach langem Schlaf im Labor wieder aufgeweckt hatten. Jetzt haben die Wissenschaftler untersucht, wie „Dornröschen“ in der Wirtszelle in den Zellzyklus eingreift, einem Programm, das die Zelle während der Zellteilung durchläuft. Sie konnten zeigen, dass „Dornröschen“ die Wachstumsphase der Zelle (die so genannte G1-Phase) verlangsamt, da es mit einem bestimmten Genregulator (Miz-1) interagiert. Die Forscher vermuten, dass sich „Dornröschen“ sehr egoistisch verhält. In der G1-Phase ist nämlich ihre Chance, sich in ein fremdes Genom einzubauen, am größten. Auch ist es die Phase, in der die Zelle einen von dem Transposon verursachten DNA-Schaden am besten reparieren kann. Die Forschungsergebnisse von Dr. Oliver Walisko, Dr. Izsvák und Dr. Ivics hat jetzt die Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) online* veröffentlicht. Als Nächstes wollen sie den Einfluß von Dornröschen auf jede einzelne Phase des Zellzyklus erforschen sowie die Bedeutung der DNA-Reparatur auf den Einbau springender Gene in eine Wirtszelle.

In den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte die amerikanische Forscherin Barbara McClintock „springende Gene“ oder Transposons an Maispflanzen entdeckt und dafür 1983 den Nobelpreis erhalten. Sie hatte als erste festgestellt, dass das Genom keine unbewegliche, feste Struktur hat, sondern durch die Transposons beweglich ist. Diese mobilen DNA-Elemente haben sich in die Erbanlagen (Genome) aller Organismen vom Bakterium bis zum Menschen eingeschlichen und nehmen dort einen für die Wissenschaftler erstaunlich großen Raum von rund 45 Prozent ein. Sie bezeichnen Transponsons als „molekulare Parasiten“, die mit ihren Wirten leben und sich aus ihnen entwickeln. Transposons können Schäden an der DNA ihres Wirtsorganismus verursachen. Die meisten Transposons sind aber bei Wirbeltieren inaktive Überbleibsel einst aktiver Transposons. Einige der grundlegendsten zellulären Mechanismen, wie etwa die Ausbildung des Immunsystems bei Wirbeltieren, gehen auf Transposons zurück.

*Sleeping Beauty transposase modulates cell cycle progression through interaction with Miz-1

Oliver Walisko*, Zsuzsanna Izsvák*?, Kornélia Szabó ?, Christopher D. Kaufman*, Steffi Herold§, and Zoltán Ivics*

*Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13092 Berlin, Germany; Institutes of Biochemistry and Genetics, Biological Research Center of the Hungarian Academy of Sciences, 6726 Szeged, Hungary; and §Institute for Molecular Biology and Tumor Research, University of Marburg, 35033 Marburg, Germany

Early Edition online:March 7, 2006, Printed Edition: March 14, 2006, Vol.103, No. 11, pp. 4063-4067

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