Stichlinge "senden" auf Geheimkanälen

Stichlingsweibchen scheinen bei der Partnersuche unter anderem auf UV-Signale ihrer männlichen Artgenossen zu stehen. Das haben Zoologen der Universität Bonn herausgefunden. Dank eines speziellen „Anstrichs“ reflektieren die Fischmänner den UV-Anteil des Umgebungslichts. Setzten die Forscher ein Männchen hinter eine UV-undurchlässige Scheibe, ein zweites dagegen hinter UV-durchlässiges Glas, entschieden sich paarungswillige Weibchen signifikant häufiger für den zweiten Stichlingsmann. Auch bei der Entscheidung, welchem von zwei Schwärmen sich die Fische anschließen, spielen UV-Signale augenscheinlich eine Rolle. Möglicherweise nutzen Stichlinge ihren UV-Sinn als geheimen Kommunikationskanal, um Fressfeinden nicht ins Auge zu fallen: Bislang weiß man nur von wenigen Fischen, dass sie ultraviolettes Licht wahrnehmen können. Zudem schwächen sich UV-Signale im Wasser schnell ab, sind also nur über kurze Distanzen gut zu sehen.


Mit dem UV-Licht ist es so eine Sache: Da viele Tiere es gar nicht wahrnehmen können – der Mensch ist dazu beispielsweise auch nicht in der Lage -, lässt sich auf diesem Kanal „geheim“ kommunizieren. Andererseits hat es aber auch seinen Grund, warum nicht alle Tiere im UV-Bereich sehen können: Die kurzwellige Strahlung ist energiereicher als „normales“ Licht und kann im Gewebe Einiges kaputtmachen. Viele Lebewesen sind daher bestrebt, UV-Strahlung abzublocken – beispielsweise durch bestimmte Pigmente. Das ist auch der Grund, warum wir an der Sonne braun werden.

UV-Sinn verursacht physiologische „Kosten“

Bei Stichlingen dagegen kann das ultraviolette Licht vergleichsweise ungehindert bis zu den UV-Rezeptoren im Auge vordringen, wo es seine Energie auf einen Schlag abgibt. „Daher bringt die UV-Wahrnehmung physiologische Kosten mit sich“, erklärt der Bonner Zoologe Ingolf Rick. „Aus evolutionsbiologischer Sicht hätte sie sich jedoch nicht entwickelt, wenn sie ihren Besitzern nicht auch Vorteile bringen würde.“

Wofür die Stichlinge ihren UV-Sinn nutzen, haben Rick und seine Kollegin Ricarda Modarressie nun in den Fachzeitschriften „Animal Behaviour“ und „Proceedings of the Royal Society, Series B“ dargelegt: Demnach spielt er sowohl bei der Partnerwahl als auch beim Schwarmverhalten eine Rolle. „Wir haben einzelne Stichlinge zwischen zwei Schwärme gesetzt, von denen sie durch zwei Glasscheiben getrennt waren“, erklärt Ricarda Modarressie. „Schwarm 1 befand sich hinter einer UV-durchlässigen Scheibe, die Scheibe vor Schwarm 2 blockte den UV-Anteil des Lichts dagegen komplett ab.“ Ergebnis: Die Stichlinge hielten sich signifikant häufiger bei Schwarm 1 auf. Tauschten die Forscher die Scheiben aus, änderte sich das: Nun bevorzugten die Versuchstiere Schwarm 2. Bei der Partnerwahl ergab sich ein ähnliches Bild: Stichlingsweibchen fanden Männchen hinter einer UV-durchlässigen Scheibe deutlich attraktiver.

Fitness-Signal oder Hilfe beim Schwärmen?

Warum sich Stichlinge bei der Entscheidung zwischen Schwärmen oder potenziellen Sexualpartnern auf das UV-Signal stützen, können Ricarda Modarressie und Ingolf Rick noch nicht sagen. Möglichkeiten gibt es viele: Dass Stichlinge den UV-Anteil ihres Umgebungslichts so gut reflektieren, verdanken sie Strukturen in ihrer Haut, die vorzugsweise kurze Wellenlängen spiegeln. Vielleicht produzieren „fitte“ Tiere bessere „Minispiegel“ und leuchten daher im UV-Bereich besonders kräftig.

Modarressie hat aber auch noch eine andere Hypothese, die sie nun experimentell untersuchen möchte: „Das UV-Signal könnte Stichlingen dabei helfen, den Abstand zum Rest des Schwarms konstant zu halten und auf Richtungsänderungen der anderen Fische schnell zu reagieren.“

Kontakt:
Ricarda Modarressie und Ingolf Rick
Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-5758 oder 0228/73-5749
E-Mail: rmodarressie@evolution.uni-bonn.de oder irick@evolution.uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

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