Biochip scannt lebende Zellen in Echtzeit

Forscher des Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrums (BBZ) der Universität Leipzig haben einen neuartigen Chip entwickelt, mit dem man innerhalb von Sekundenbruchteilen die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen von Medikamenten auf lebende dreidimensionale Zellverbände prüfen kann.

„Im Gegensatz zu den konventionellen Laboruntersuchungen verwenden wir Gewebe aus Zellen im Lebendzustand und können manipulationsfrei, markierungsfrei und zerstörungsfrei arbeiten“, berichtet Projektleiterin Andrea Robitzki gegenüber pressetext. Das „elektronische Screening“ erlaube einerseits Sofortantworten und andererseits auch Messungen über längere Zeiträume, um so Nebenwirkungen oder toxische Effekte der Wirkstoffe zu untersuchen.

Das besondere an dem zwei mal zwei Zentimeter großen Biochip, der für den Laien wie ein gewöhnliches Computerbauteil aussieht, ist dessen Oberfläche. Hierauf befinden sich kleine Einkerbungen. „In diese Kavitäten oder Töpfchen können wir Gewebeproben einlegen und anschließend Wirkstoffe einbringen“, erklärt Robitzki. An diesen Töpfchen liegen jeweils vier Elektroden an, die Strom durch das Untersuchungsgut leiten.

„Der elektrische Widerstand ist frequenzabhängig an Änderungen in der Zelle gekoppelt. Wenn ein Wirkstoff zum Tod der Zellen führt, dann werden die Zwischenräume im Gewebe größer und der Widerstand des Gewebes sinkt.“ So könne innerhalb von Millisekunden nachgewiesen werden, wofür man im Labor mit mikroskopischen Untersuchungen von Gewebeschnitten Wochen bräuchte.

Zudem könne man mittels des Biochips, der in Zusammenarbeit mit der TU Ilmenau http://www.tu-ilmenau.de entwickelt wurde, eine große Anzahl von Geweben und Wirkstoffen parallel untersuchen, fügt Robitziki an. So hatten die Forscher zunächst die Wirksamkeit von Medikamenten auf Proben von Melanomen untersucht. Allerdings könne der Chip auch bei der schwierigen Behandlung von Brustkrebs von Nutzen sein. „Tumore sind sehr individuell“, sagt Robitzki. Deshalb stünden Ärzte bei deren Therapie vor der schwierigen Aufgabe das Medikament mit den besten Erfolgsaussichten zu wählen. „Die Entscheidung würde bei Einsatz des Chips auf der Basis gesicherter Daten erfolgen“, so die Wissenschaftlerin. Auch bei Gewebe aus dem Herzmuskel könne der Chip zum Einsatz kommen. „Zellen aus diesem Muskel verhalten sich genauso wie ein kontrahierender Herzmuskel, beschreibt Robitzki. Mit dem neuen Chip sei es möglich, die Zellen des Muskels mit Wirkstoffen zu versorgen, die beispielsweise Herzrhythmusstörungen entgegen wirken. Anhand der Widerstandsmessungen können man denn auch feststellen, ob das verabreichte Mittel Nebenwirkungen zeigt.

Neben der Wirksamkeitsprüfung ist aber auch die Entwicklung neuer Medikamente ein Anwendungsgebiet, wie Robitzki sagt. „Wir führen derzeit Screenings für nationale und internationale Industriefirmen zur Entwicklung von Wirkstoffen gegen den Morbus Alzheimer und Herzkreislauferkrankungen durch.“ Eine Hoffnung der Forscher ist, dass die Entwicklungszeit von Medikamenten mit dem neuen Verfahren verkürzt und auch die Anzahl der nötigen Tierversuche reduziert werden können.

Media Contact

Claudia Misch pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.bbz.uni-leipzig.de

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