Bakterien auf der frühen Erde sorgten für ihren eigenen Sonnenschutz

In der frühen Erdatmosphäre ohne schützende Ozonschicht lagerten lichtabhängige eisenoxidierende Bakterien Eisenminerale um sich herum ab, die sie gegen schädliche ultraviolette (UV-)Strahlen abschirmten. So konnten sich die Lebewesen vor drei bis vier Milliarden Jahren in einer rauen Umgebung behaupten.

Dies haben die Geomikrobiologen Tina Gauger und Professor Andreas Kappler vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit Professor Kurt Konhauser von der kanadischen University of Alberta in Edmonton in Laborexperimenten herausgefunden. Ihre Forschungsergebnisse werden in der Fachzeitschrift Geology veröffentlicht.

Unsere Erdatmosphäre besteht heute zu etwa 20 Prozent aus Sauerstoff. Er bildet nicht nur die Lebensgrundlage vieler Organismen, sondern dient auch als Sonnenschutz. Denn in der Atmosphäre reagieren Sauerstoffmoleküle unter Einwirkung von Sonnenlicht miteinander und bilden Ozon. Die Ozonschicht in der Stratosphäre absorbiert schädliche UV-Strahlung aus dem All und schützt Menschen, Tiere und Pflanzen auf der Erde vor Strahlenschäden.

Vor drei bis vier Milliarden Jahren enthielt die Erdatmosphäre kaum Sauerstoff, eine Ozonschicht gab es nicht. „Die Erdoberfläche, aber auch Flachwassergebiete der Urozeane waren damals hoher UV-Strahlung ausgesetzt“, erklärt Andreas Kappler. „Trotzdem entstand mikrobielles Leben, wir haben uns gefragt, wie das möglich war.“

Bestimmte lichtabhängige Bakterien sind in der Lage, gelöstes Eisen (Fe2+) als Nahrung zu verwenden und mithilfe der Energie des Sonnenlichts Fotosynthese zu betreiben. Anders als heutige Grünpflanzen setzen sie dabei keinen Sauerstoff frei. Als Abfallprodukte entstehen Eisenminerale und Rost. Die Eisenminerale haben besondere Eigenschaften: Sie absorbieren UV-Licht, aber der für die Fotosynthese wichtige Anteil des Sonnenlichts kann weiterhin von Organismen genutzt werden.

„Das zur Mineralbildung notwendige Eisen war in den sauerstofffreien Urozeanen der frühen Erde in viel größeren Mengen vorhanden als heute“, sagt Kappler. Es gebe viele Hinweise, dass Fotosynthese treibende Bakterien in diesen Urozeanen gelebt und Eisen oxidiert haben. „Das Ergebnis können wir heute noch in riesigen eisenhaltigen Gesteinsformationen, den sogenannten Banded Iron Formations sehen. Das sind die weltgrößten Eisenvorräte, die wir besitzen.“

In ihren Experimenten behandelten die Geomikrobiologen die Bakterien in Gegenwart oder Abwesenheit von Eisenmineralen, die von den Bakterien selbst gebildet wurden, mit einer schädlichen Dosis UV-Licht. „In Gegenwart von selbst gebildetem Rost überlebten deutlich mehr Bakterien und waren aktiv“, sagt Tina Gauger. „Außerdem wurde die DNA der Bakterienzellen weniger geschädigt. Im Experiment überlebten mehr Bakterien mit Mineralen als Sonnenschutz als ohne.“

Die neuen Ergebnisse helfen den Wissenschaftlern zu verstehen, wie Organismen auf der frühen Erde die viel höhere Strahlenbelastung überlebten und sich Leben in flachen Gewässern mit genügend Sonnenlicht entwickeln konnte.

Originalpublikation:
Gauger, T., Konhauser, K.O. & Kappler, A. (2015). Protection of phototrophic iron(II)-oxidizing bacteria from UV radiation by biogenic iron(III) minerals: Implications for early Archean banded iron formation. Geology, Online-Veröffentlichung 23. Oktober 2015, DOI 10.1130/G37095.1.

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Kappler und Tina Gauger
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften (ZAG) – Geomikrobiologie
Telefon +49 7071 29-74992
andreas.kappler[at]uni-tuebingen.de und tina.gauger[at]uni-tuebingen.de

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Dr. Karl Guido Rijkhoek idw - Informationsdienst Wissenschaft

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