Durch Abgrenzung zum Erfolg

Grenzen aufgezeigt: Im elektronenmikroskopischen Bild sind die Querbänder (schwarze Sterne) deutlich zu erkennen, die den Stiel von Caulobacter crescentus unterteilen.<br><br>(Abbildung: Dr. Martin Thanbichler / EM-Aufnahme: Ariane Briegel, AG Grant Jensen, Caltech, USA)<br>

Einen derartigen Mechanismus kennt man bisher nur von Lebewesen aus der Gruppe der Eukaryoten, deren Zellen einen echten Kern besitzen. Die Forscher um Juniorprofessor Dr. Martin Thanbichler von der Philipps-Universität beschreiben die neu entdeckte Struktur in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Cell“, die am 7. Dezember erscheint.

„Für Bakterien ist dies das erste Beispiel einer Barriere, welche die Proteindiffussion einschränkt“, erklärt Thanbichler, der eine Arbeitsgruppe am Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie leitet und als Seniorautor des Aufsatzes firmiert. Er und sein Team untersuchten das Modellbakterium Caulobacter crescentus, das an einem Ende einen Stiel bildet, der durch Querbänder unterteilt ist. Er dient vermutlich als Abstandshalter, der die Zelle bei Nährstoffmangel von der Oberfläche entfernt und so in Bereiche erhöhter Nährstoffkonzentrationen bringt.

„Der Stiel ist ein Teil der Zelle, in dem so gut wie kein Stoffwechsel stattfindet“, legt Thanbichler dar. Die Wissenschaftler identifizierten vier Proteine, die in unregelmäßigen Abständen entlang des Stiels nachweisbar sind; bei Mutanten, die keine solchen Proteine enthalten, fehlen die Querbänder.

Wie die Autoren weiter zeigen, binden die vier Proteine in vielfacher Kopie aneinander und bilden dadurch einen scheibenförmigen Komplex, der den Stiel in seiner gesamten Breite in Form mikroskopisch sichtbarer Querbänder durchspannt. Andere Proteine können die dadurch gebildete Grenze nicht überschreiten; das wiesen die Forscher nach, indem sie Eiweißverbindungen farblich markierten, um ihre Verteilung in der Zelle nachzuvollziehen. Bei Mutanten ohne Querbänder diffundieren die gekennzeichneten Moleküle hingegen durch die gesamte Zelle.

Wozu benötigen Bakterien derartige Diffusionsbarrieren? Die Autoren schließen aus ihren Untersuchungen, dass Zellen von C. crescentus schneller wachsen, wenn sie nicht das gesamte Zellinnere mit Proteinen versorgen müssen: Indem die Mikroorganismen ihre effektive Größe verringern, müssen sie weniger Energie für die Proteinsynthese aufwenden; außerdem können sie sich schneller auf Veränderungen in der Umwelt einstellen, die eine Umstellung ihrer Proteinzusammensetzung erfordern. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Diffusionsbarrieren einen erheblichen Beitrag zur bakteriellen Fitness leisten.“

Martin Thanbichler und Ko-Autor Professor Dr. Uwe Maier gehören dem Marburger „LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie“ an. Die Forschungsarbeit der Wissenschaftler wurde unter anderem durch die Max-Planck-Gesellschaft und das „Human Frontier Science Program“ finanziell gefördert.

Originalveröffentlichung: Susan Schlimpert, Eric A. Klein & al.: General Protein Diffusion Barriers Create Compartments within Bacterial Cells, Cell (2012), URL: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2012.10.046
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Dr. Martin Thanbichler,
Fachbereich Biologie – Mikrobiologie
Tel.: 06421 178-300
E-Mail: thanbichler@mpi-marburg.mpg.de
Internet: http://www.mpi-marburg.mpg.de/thanbichler

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Johannes Scholten idw

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