Ab auf die Insel mit negativen Empfindungen

Nervenzellen im hinteren Teil der Inselrinde verarbeiten negative Eindrücke und Gefühle und können daraufhin die Nahrungsaufnahme oder die Entdeckerlust von Mäusen beeinflussen. MPI für Neurobiologie / J. Kuhl

Gefühle und Emotionen haben einen großen Einfluss auf unser Verhalten. „Das ist auch gut so“, weiß Nadine Gogolla, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Neurobiologie.

„Riecht zum Beispiel eine Maus einen Fuchs, dann bringt das Gefühl der Furcht sie dazu ihre Ausflüge in die Umgebung einzustellen und erst einmal mit dem Fressen aufzuhören.“

Einen ähnlich hemmenden Einfluss haben auch negative Körperzustände wie zum Beispiel Übelkeit. Solch unterschiedliche negativen Empfindungen und Verhaltensanpassungen sind über die hintere Inselrinde miteinander verbunden, wie Gogolla und ihr Team nun zeigen.

Daniel Gehrlach und seine Kollegen aus der Gogolla-Gruppe fanden heraus, dass die Nervenzellen der hinteren Inselrinde auf eine Vielzahl von Sinneseindrücken, Emotionen und Körperzuständen reagieren.

Die hier verarbeiteten Informationen haben alle eine negative Auswirkung oder Signalwirkung auf das Tier. Interessanterweise können einzelne Nervenzellen dabei auf so unterschiedliche negative Reize wie Bitter, Furcht, Schmerz, Durst und körperliches Unwohlsein reagieren.

Sobald die Zellen solch einen negativen Zustand erkennen, leiten sie die Informationen über zwei unterschiedliche Nervenbahnen zum Mandelkern oder dem Nucleus accumbens weiter. Beide Gehirnregionen sind dafür bekannt, dass sie das Verhalten eines Tieres direkt beeinflussen können. „Wir konnten erstmals zeigen, welchen Einfluss die Inselrinde über diese beiden neu entdeckten Verbindungen auf das Verhalten hat“, so Gogolla.

Die Aktivierung der Nervenbahn von der Inselrinde zum Mandelkern bewirkt vor allem Verhaltensanpassungen an Angst: Die Maus reduziert ihre Nahrungsaufnahme, sozialen Kontakte und auch das Erkunden der Umgebung. Unterdrückten die Forscher die Aktivität dieser Nervenbahn, waren die Tiere weniger ängstlich.

Das Aktivieren der Nervenbahn zum Nucleus accumbens hatte dagegen den gleichen Effekt wie eine Krankheit: Die Mäuse hörten auf zu fressen. Interessanterweise konnten die Tiere trotz Übelkeit etwas fressen, wenn diese Nervenbahn inaktiviert wurde. „Die so gezeigten mechanistischen Zusammenhänge in der Maus sind ein wichtiger Schritt um Angsterkrankungen, Depressionen und Essstörungen wirklich zu verstehen“, so Gogolla.

Das Gefühl, krank zu sein, oder starke negative Emotionen sollen Mensch und Tier dazu bringen, sich zu schonen und schützen. Angsterkrankungen oder Depressionen entstehen, wenn negative Emotionen zu stark oder zu häufig werden. „Möglicherweise lernt die Inselrinde aus vorherigen Erfahrungen, so dass die Zellen beim nächsten negativen Eindruck stärker oder schneller reagieren“, überlegt Gogolla. „Haben wir solche Zusammenhänge erst einmal verstanden, finden wir vielleicht auch Wege, um sie rückgängig zu machen oder zumindest einzudämmen.“

KONTAKT
Dr. Stefanie Merker
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
Tel.: 089 8578 – 3514
E-Mail: merker@neuro.mpg.de

Daniel A. Gehrlach, Nejc Dolensek, Alexandra S. Klein, Ritu Roy Chowdhury, Arthur Matthys, Michaela Junghänel, Thomas Gaitanos, Alja Podgornik, Thomas Black, Narasimha Reddy Vaka, Karl-Klaus Conzelmann, Nadine Gogolla
Aversive state processing in the posterior insular cortex
Nature Neuroscience, online 27. September 2019

http://www.neuro.mpg.de/gogolla/de – Webseite von Dr. Nadine Gogolla am MPI für Neurobiologie

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Dr. Stefanie Merker Max-Planck-Institut für Neurobiologie

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