Viele deutsche Wissenschaftler wandern nach Großbritannien ab

Viele deutsche Wissenschaftler zieht es nach Großbritannien. Die Zahl deutscher Akademiker an britischen Hochschulen ist in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 40 Prozent gestiegen. Nach Angaben der britischen Agentur für Hochschulstatistik (HESA) forschten und lehrten im vergangenen Studienjahr 2575 deutsche Wissenschaftler auf der Insel. 1998/99 waren es nur 1820.

Diese auch als «Brain Drain» – «Gripps-Abfluss» – bezeichnete Abwanderung ist in vielen Fällen von Dauer. Eine in diesem Monat veröffentlichte Umfrage des Vereins «berlinpolis» unter mehr als 300 deutschen Wissenschaftlern an amerikanischen und britischen Hochschulen ergab, dass nur ein Drittel «sehr wahrscheinlich» nach Deutschland zurückkehren wird.

Gründe, nach Großbritannien zu wechseln, gibt es viele. Meistgenannt sind Unzufriedenheit mit dem deutschen Universitätssystem, verkrustete Strukturen, schlechte Aufstiegsmöglichkeiten. «Ich finde die akademische Kultur in Großbritannien viel sympathischer. Das System ist weniger hierarchisch, und die Bedingungen sind ausgezeichnet», sagt Ulinka Rublack (37), Geschichtsdozentin an der Universität Cambridge.

Christian Kaiser (34), Astrophysiker in Southampton, hat Deutschland das erste Mal 1994 nach drei Jahren Physik-Studium in München verlassen: «In England wurde ich schon nach diesen drei Jahren zur Promotion zugelassen und habe damit mindestens drei Jahre früher meinen Doktortitel erworben, als das in Deutschland möglich gewesen wäre.»

Auf einen Professorentitel legen die Briten viel weniger wert. Ein «Lecturer» forscht auch ohne «Prof.» unabhängig, hält Vorlesungen und betreut Doktoranden. «Die Stelle hier erlaubt mir Eigenständigkeit», bestätigt Michael Kuhn. Mit erst 34 ist er schon seit viereinhalb Jahren Dozent für Wirtschaftswissenschaften in York.

Oft sind es junge Wissenschaftler, die sich nach der Promotion in Deutschland fragen: Habilitation – ja oder nein? Theoretisch gibt es zwar die Junior-Professuren, aber in der Praxis sind sie rar. Viele ältere Professoren stehen dem akademischen Aufstieg ohne Habilitation zudem skeptisch gegenüber. Mit dem Umzug nach England erledigt sich für viele Jungwissenschaftler das Problem.

Wenn es beruflich vorwärts geht, spielt der Ort oft nur eine untergeordnete Rolle. Georg Hähner (40) hatte sich auch in den USA und Singapur beworben, bevor er Reader (außerordentlicher Professor) für Physikalische Chemie im schottischen St. Andrews wurde. «Wissenschaft ist international, man muss sehen, wo jemand gebraucht wird», meint er.

Beim Deutschen Akademischen Auslands-Dienst (DAAD) in New York gibt es inzwischen eine Initiative, die Nachwuchswissenschaftlern die Rückkehr aus Amerika erleichtern will. «Das German Academic International Network (GAIN) informiert ausgewanderte Akademiker über aktuelle Trends in Hochschule und Forschung und zeigt ihnen konkrete Möglichkeiten für eine berufliche Laufbahn in Deutschland», erklärt Projektleiterin Katja Simons. Unter anderem sollen die Auswanderer Ideen für Reformen in Deutschland beitragen. Vielleicht könnte es so eine Initiative bald auch für Großbritannien geben.

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