Gensprung vom Futtermais zum Hähnchen nachgewiesen


Bruchstücke aus dem Erbgut von gentechnisch verändertem Mais haben Ernährungswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Organen und Muskelfleisch von Hähnchen nachgewiesen. Die Tiere waren ihr 32 Tage kurzes Leben ausschließlich mit Körnern des so genannten Bt-Maises gefüttert worden. Diese Pflanzensorte ist mit einem künstlich eingebauten Gen gegen den Maiszünsler, ein Schadinsekt, geschützt.

Prof. Dr. Gerhard Jahreis und seine Mitarbeiterin Dipl.-troph. Jana Kraft betrachten dieses Ergebnis allerdings mit großer Gelassenheit. „Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung für die Verbraucher“, so Jahreis. „Wir nehmen täglich zwischen 100 und 1.000 Mikrogramm fremder Erbsubstanz über die Nahrung auf. Sie wird teilweise direkt wieder ausgeschieden oder binnen kurzer Frist im Organismus verstoffwechselt.“ Das Gemeinschaftsprojekt der Thüringer Wissenschaftler mit drei anderen Forschungseinrichtungen in Bayern und Niedersachsen diente der Grundlagenforschung, um den Gentransport über die Nahrungskette näher aufzuklären.

Beteiligt daran waren das Institut für Physiologie der TU München, die Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach, das Institut für Tierernährung in Braunschweig und eben das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena. In einem Ringversuch wurden eine Testpopulation von Hähnchen ausschließlich mit Körnern des genveränderten Bt-Maises und eine Kontrollgruppe nur mit herkömmlichen Maiskörnern gefüttert. Nach der Schlachtung untersuchten die Wissenschaftler in Kulmbach, München und Jena Gewebeproben der Tiere aus Niere, Milz, Leber, Schenkel- und Brustmuskelfleisch mit Hilfe der gentechnischen Polymerasekettenreaktion (PCR).

Dabei fanden sie in allen Tieren typische Sequenzen der Mais-DNA, allerdings nicht aus den veränderten Genen des Bt-Maises. „Das hängt von den verwendeten Primern und damit von den im Nachweisverfahren entstehenden PCR-Produkten ab“, so Jahreis. „Wir können jedoch davon ausgehen, dass auch Fragmente aus diesen Genen in die verzehrbaren Fleischbestandteile des Broilers gelangen.“

Unter „Primern“ verstehen die Forscher „genetische Angeln“, also Genabschnitte, die für den Nachweis speziell hergestellt und bei der Polymerasekettenreaktion eingesetzt werden. Die PCR-Methode trennt den „Reißverschluss“ der doppelsträngigen DNA auf, und die mehrere hundert Basen langen Primer docken an die frei gewordenen spezifischen Gensequenzen an. Insgesamt fünf solcher Primer setzten die Forscher unabhängig voneinander ein: zwei für neutrale, aber Mais-typische Gene, einen für ein Antibiotikumresistenz-Gen, einen für das Bt-Gen und einen Kontrollprimer, um Verunreinigungen der Proben durch Mikroorganismen auszuschließen.

Zwar erklärt sich Jahreis grundsätzlich zu einem Befürworter der modernen Gentechnik, am Bt-Mais hat er allerdings einiges auszusetzen. Denn diese Nutzpflanze wurde in ihrer Erbsubstanz gleich mit drei Resistenzgenen künstlich verändert: gegen Unkrautvernichtungsmittel, einem weiteren gegen das Antibiotikum Ampicillin – nur zum bequemen Kontrollnachweis – und eben mit einem Gen des Bacillus thuringiensis. Dieses Gen regt die Produktion von Delta-Endotoxin an, einem Zellgift, das den Darm des Pflanzenschädlings Maiszünsler zerstört.

„Die genetische Veränderung beim Bt-Mais nützt also nur den Maisproduzenten, nicht aber den Verbrauchern“, kritisiert Prof. Jahreis. Zumindest das Bt-Gen schade ihm allerdings auch nicht: „Diese Gene nehmen wir auch in ursprünglicher Form mit dem Bacillus thuringiensis auf, wenn wir zum Beispiel eine schlecht gewaschene Möhre verzehren.“

Für bedenklicher hält der Ernährungswissenschaftler indes die Markierung der Maispflanze mit einem Antibiotika-Resistenz-Gen: „Eine Übertragung der Antibiotika-Resistenz auf Krankheitskeime im menschlichen Darm kann derzeit nicht vollends ausgeschlossen werden.“ Daraus leitet der Jenaer Forscher auch die Forderung nach einem sorgfältigen Umgang mit den neuen gentechnischen Möglichkeiten in der Nahrungsproduktion ab. Natürlich gebe es Genprodukte, die beim Menschen zum Beispiel allergische Reaktionen auslösen können. Andererseits könne man mittels Gentechnik ebenso Pflanzengene unwirksam machen, die für die Synthese von allergenen Proteinen verantwortlich sind.

Auch eine ökologische Bewertung der Aussaat von Genpflanzen sei durchaus nicht einfach. „Wenn es Verwandte der genveränderten Kulturpflanze in der Umwelt gibt, kann das veränderte Gen auf diese übertragen werden“, so Jahreis, „deshalb ist größte Sorgfalt beim Umgang mit dem neuen Wissen angezeigt.“

Grundsätzlich könne sich aber kein Verbraucher gegen den Verzehr von Fremdgenen schützen. Praktisch mit jedem Nahrungsmittel nehmen wir die Gene von Nutztieren und -pflanzen über die so genannten Peyerschen Plaques im Darm auf. – „Kein Grund zur Panik“, erklärt Prof. Jahreis, „unser Organismus verfügt über fantastische Entsorgungssysteme für diese Fremd-DNA.“ Das meiste davon wird im Darm in die Hauptbestandteile Purin, Pyrimidin, Phosphat und Zucker aufgetrennt und anschließend im Stoffwechsel verarbeitet.

Nur wer sich ausschließlich von Drüsensekreten, etwa reiner Milch, und konzentrierten Nährstoffen wie Zuckerwürfeln oder Kartoffelstärke ernährt, isst keine Fremd-DNA. – „Aber wer will das schon?“ schmunzelt Jahres, „gesund ist das jedenfalls nicht.“ Ironie des Schicksals: Besonders reich an Erbgut ist die Öko-Kost, wie zum Beispiel Getreidekeime.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerhard Jahres
Institut für Ernährungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/949611, Fax: 949612
E-Mail: b6jage@rz.uni-jena.de

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