Höhere Verkehrssicherheit durch thermografisches Monitoring

Das in »BiCam« zu entwickelnde bispektrale Kamerasystem soll durch thermografisches Monitoring die Verkehrssicherheit erhöhen, indem es sowohl an Schienen- als auch an Kraftfahrzeugen frühzeitig Hot Spots erkennt.
© Ivan Kruk – www.stock.adobe.com

Die Früherkennung möglicher Ausfälle und Brände durch die Detektion von überhitzten Bereichen (»Hot Spots«) im Personen- und Gütertransport hat das Potenzial die Sicherheit im Straßen- und Schienenverkehr bedeutend zu erhöhen. Bisherige Ansätze erfüllen die Anforderungen an eine berührungs- und lückenlose thermografische Überwachung von Fahrzeugen jedoch nur unzureichend. Im BMBF-geförderten Projekt »BiCam« erarbeiten das Fraunhofer IAF und die DIAS Infrared GmbH über zwei Jahre ein Outdoor-Kamerasystem, das eSWIR- und NIR-Spektralbereiche verbindet und so erstmals fließenden Verkehr kontinuierlich visuell und thermografisch überwachen kann.

Überhitzende Fahrzeugteile und -ladungen (»Hot Spots«) stellen ein Risiko für die Sicherheit im Schienen- und Straßenverkehr dar. Sie können zu Ausfällen, Bränden und schweren Unfällen führen. Thermografisches Monitoring ist in der Lage Hot Spots frühzeitig zu erkennen, stellt aber für den Dauereinsatz in der Verkehrsüberwachung hohe Anforderungen an das zugrundeliegende Messsystem. Im Projekt »BiCam – Schnelle Infrarot-Zeilenkamera zur elektronischen Lage- und Temperaturüberwachung« erstellen das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und die DIAS Infrared GmbH ein bispektrales Kamerasystem für den Außenbereich. Dieses soll als Komplettlösung erstmals eine berührungs- und lückenlose thermografische und visuelle Überwachung von bewegten Objekten mit hoher Geschwindigkeit erlauben.

Forschende des Fraunhofer IAF entwickeln für das System einen neuartigen Detektorzeilenchip für die Temperaturmessung im erweiterten kurzwelligen Infrarot (»extended short wavelength infrared«, eSWIR), den der Projektpartner mit einem Sensor im nahen Infrarot (»near infrared«, NIR) für die detaillierte visuelle Abbildung kombiniert und in ein Gesamtsystem überführt. Die Verbindung der Signale aus beiden Spektralbereichen ermöglicht eine exakte Ortsbestimmung der Hot Spots im laufenden Verkehr. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt »BiCam« im Rahmen der Fördermaßnahme »KMU-innovativ«.

Widerstandsfähige Lösung für mehr Verkehrssicherheit

»In ›BiCam‹ wollen wir eine umfassende Lösung für das thermografische Verkehrsmonitoring im Outdoor-Bereich realisieren, die sowohl unterschiedlichen Verkehrsarten als auch Gefährdungspotenzialen gerecht wird«, erläutert Dr. Andreas Wörl, verantwortlicher Teilprojektleiter auf Seiten des Fraunhofer IAF, den Mehrwert des zu entwickelnden Kamerasystems. Der Bedarf sei groß, weil Systeme auf dem aktuellen Stand der Technik jeweils spezifische Schwächen aufweisen: Sie sind auf einzelne Anwendungsgruppen beschränkt (zum Beispiel auf Heißläufer bei Schienenfahrzeugen), detektieren nur Objekte mit niedriger Geschwindigkeit (etwa Lastkraftwagen vor Tunneleinfahrten), weisen hohe Messfehlerquoten auf, erreichen bei Raum- und Umgebungstemperatur ohne große Energieverluste nicht die benötigte Sensitivität oder sind zu wartungsintensiv.

Das Kamerasystem, das die Verbundpartner in »BiCam« realisieren, soll hingegen bei hoher räumlicher und Temperaturauflösung wetter- und tageszeitunabhängig jedes Fahrzeug mit Geschwindigkeiten bis circa 350 km/h und Temperaturen von 75 °C bis 400 °C erfassen. Dabei spielt die eSWIR-Detektorzeile eine entscheidende Rolle, wie Wörl erklärt: »Die neuartige eSWIR-Detektorzeile, die wir am Fraunhofer IAF auf III/V-Halbleiterbasis entwickeln, ermöglicht aufgrund der senkrechten Ausrichtung erstmals eine lückenlose Überwachung des fließenden Verkehrs ohne Bildzusammensetzungen. Die Überwachung des laufenden Verkehrs ist wesentlich, da Hot Spots nach einem Stillstand oft nicht mehr nachweisbar sind und mögliche Mängel und Schäden so unerkannt bleiben.«

Lückenloses Monitoring durch neuartigen eSWIR-Detektorzeilenchip

Den eSWIR-Detektorzeilenchip entwickeln Forschende des Fraunhofer IAF auf Basis des quaternären Materialsystems Indiumgalliumarsenantimonid (InGaAsSb), das im Reinraum des Instituts mittels Molekularstrahlepitaxie gewachsen und charakterisiert wird. Zu den Zieleigenschaften der Detektorzeile gehören eine hohe Detektivität und Sensitivität im Wellenlängenbereich zwischen 1,6 und 2,6 µm, eine Messfrequenz von 5 kHz, geringes Eigenrauschen und ungekühlter Betrieb.

Auf Basis der Detektorzeile entwickelt DIAS Infrared einen eSWIR-Sensor und einen optischen Kanal zur gemeinsamen Abbildung des NIR- und eSWIR-Bildes. Auch die Realisierung des Sensorkopfes sowie die Vereinigung aller Teilkomponenten zum Komplettsystem erfolgen durch DIAS Infrared. Der parallele Einsatz einer NIR-Sensorzeile innerhalb des Systems spart Ressourcen, da kein zweites Kamerasystem betrieben werden muss, um die thermografische Messung visuell zu verorten. Da aufwändige Bildzusammensetzungen entfallen, sinkt außerdem das Fehlerpotential.

Industrielle Anwendungsgebiete

Neben der Verkehrsüberwachung liegt ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet des Kamerasystems in der industriellen Qualitäts- und Prozesskontrolle, beispielsweise in den Bereichen Metallurgie und Automotive. Aufgrund des geringen Emissionsgrades von Metallen erzeugt thermografisches Monitoring im kurzwelligen Infrarot deutlich weniger Messfehler als Systeme im langwelligen Infrarot. Das bispektrale Kamerasystem könnte präzisere und zuverlässigere Daten erfassen als Lösungen auf dem derzeitigen Stand der Technik.

Über das Fraunhofer IAF

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF ist eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf den Gebieten der III/V-Halbleiter und des synthetischen Diamanten. Auf Basis dieser Materialien entwickelt das Fraunhofer IAF Bauelemente für zukunftsweisende Technologien, wie elektronische Schaltungen für innovative Kommunikations- und Mobilitätslösungen, Lasersysteme für die spektroskopische Echtzeit-Sensorik, neuartige Hardware-Komponenten für Quantencomputer sowie Quantensensoren für industrielle Anwendungen. Mit seinen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten deckt das Freiburger Forschungsinstitut die gesamte Wertschöpfungskette ab – angefangen bei der Materialforschung über Design und Prozessierung bis hin zur Realisierung von Modulen, Systemen und Demonstratoren.

https://www.iaf.fraunhofer.de/

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Armin Müller | Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF | Telefon +49 761 5159-670 | armin.mueller@iaf.fraunhofer.de

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