Verloren im Schilderwald: Sind ältere Autofahrer unaufmerksamer?

Visuelle Ablenkung verlängert den Bremsweg – besonders bei älteren Autofahrern. Foto: IfADo

Insgesamt 40 Versuchspersonen nahmen für die Studie im Fahrsimulator des IfADo Platz und sollten auf die Bremslichter des vorausfahrenden Autos reagieren – eine gewöhnliche Aufgabe im Straßenverkehr.

Die Gruppe der jungen Autofahrer war 19-26 Jahre alt, die Gruppe der älteren Autofahrer 55-65 Jahre. Die Bremsreaktionszeit galt in dieser Studie als wichtigstes Maß, schließlich kommt es darauf auch im echten Straßenverkehr häufig an.

Städte- und Ländernamen dienten als ablenkende Reize, die entweder als sichtbares Ortsschild oder über Lautsprecher präsentiert wurden. Manchmal wurden die Versuchspersonen angehalten, auf die Städtenamen zu achten, manchmal sollten die ablenkenden Reize ignoriert werden. Parallel wurde mittels Elektroenzephalographie (EEG) die Hirnaktivität gemessen.

Das Team um Karthaus hat sich dabei dafür interessiert, ob akustische oder visuelle Ablenkreize einen größeren Einfluss auf die Bremsreaktion haben und wie unterschiedlich die beiden Altersgruppen auf Ablenkung während der Fahrt reagieren. Es zeigte sich, dass sich vor allem visuell ablenkende Reize negativ auf die Bremsreaktionszeit auswirken – besonders bei älteren Autofahrern.

Das sichtbare Ortsschild auf der Straße erfordert zwar keine Abwendung des Blicks von der Straße, muss aber eben auch im Gehirn verarbeitet werden und benötigt hierzu Aufmerksamkeit. Wenn dann noch gleichzeitig der Vordermann bremst, steht hierfür weniger Aufmerksamkeit zur Verfügung und die Bremsreaktion wird langsamer.

Für den realen Straßenverkehr heißt das: Jedes wahrgenommene Werbeschild kann zu einem längeren Bremsweg führen. Die akustischen Ablenkreize hatten weitaus weniger Einfluss auf die Bremsreaktion der beiden Gruppen.

Aufmerksamkeit ist ein begrenztes Gut. So führte allein das Wissen darum, dass gleich ein ablenkender Reiz auftauchen könnte, bei beiden Gruppen zu einer verlangsamten Bremsreaktion und der Inanspruchnahme von Aufmerksamkeitsressourcen, die sich bei den älteren Autofahrern auch in der Hirnaktivität zeigte.

Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, dass ältere Autofahrer visuell ablenkende Reize schwerer ausblenden können und insbesondere in schwierigeren Fahrsituationen eine langsamere Bremsreaktion zeigen als jüngere Autofahrer.

„Das heißt keineswegs, dass ältere Menschen insgesamt schlechter Autofahren. Aber die Ergebnisse zeigen, dass ältere Personen sich stärker auf den Straßenverkehr konzentrieren müssen und das Maß an Ablenkung so gering wie möglich gehalten werden sollte,“ erklärt Studienleiterin Karthaus.

Versuchspersonen gesucht

Für die Fortsetzung der Studie sucht das IfADo aktuell wieder aktive Autofahrerinnen und Autofahrer. Wer zwischen 65 und 78 Jahre alt ist, kann gern im Fahrsimulator des IfADo das Lenkrad ergreifen und erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Anmeldungen unter fahrsim@ifado.de oder telefonisch unter 0231 1048-463 (Anrufbeantworter).

Dr. Melanie Karthaus
Forschungsgruppe „Altern“
Tel.: +49 / 231 1084 291
E-Mail: karthaus@ifado.de

Karthaus M, Wascher E & Getzmann S (2018) Effects of Visual and Acoustic Distraction on Driving Behavior and EEG in Young and Older Car Drivers: A Driving Simulation Study. Front. Aging Neurosci. 10:420. doi: 10.3389/fnagi.2018.00420

http://www.ifado.de

Media Contact

Verena Kemmler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer