Erwachsene Kinder häufig in Streit mit Eltern

Mehr als die Hälfte aller Eltern erleben in der Beziehung mit ihren erwachsenen Kindern immer wieder Spannungen und Ärger. Das ergab eine Studie der University of Michigan, die in der Fachzeitschrift Psychology and Aging veröffentlicht wurde.

Die Psychologen befragten 500 Eltern und auch ihre erwachsenen Kinder über Themen wie persönliche Konflikte, Geldstreitigkeiten, Kontakthäufigkeit, Lebensstil und Haushaltsführung. Wenn viele Eltern-Kind-Beziehungen auch grundsätzlich positiv verlaufen, zeigten sich mehrere spezielle Konfliktfelder. Viele der erwachsenen Kinder berichteten von unerwünschten Einmischungen der Mutter, wie auch umgekehrt die Eltern häufiger Spannungen zu Töchtern als zu Söhnen empfanden. Zudem nahmen die Eltern viele der Konflikte stärker wahr als ihre erwachsenen Kinder, so die Ergebnisse der Studie.

„Je abhängiger erwachsene Kinder und Eltern voneinander sind und je weniger sie gelernt haben, mit Konflikten umzugehen, desto weniger befriedigend ist diese Beziehung“, betont die Psychologin Sandra Velazquez http://www.familien-psychologie.info im pressetext-Interview. Die Vorbereitung für die Unabhängigkeit der Kinder im Erwachsenenalter beginne schon früh. „Mit 16 Jahren ist im Vorfeld schon vieles gelaufen. Damit ein Kind selbstständig sein kann, braucht es von Beginn an die Chance, eigene und unterschiedliche Erfahrungen zu machen“, so Velazquez.

Selbstständigkeit können Eltern ihren Kindern vor allem dann ermöglichen, wenn sie Grenzen setzen und auch negative Erfahrungen zulassen, betont die Wiener Psychologin. „Viele Eltern erlauben ihrem Kind nicht, manchmal Langeweile, Warten oder kleine Frustrationen zu empfinden oder sie ermutigen es nicht, bestimmte Tätigkeiten ohne erwachsene Hilfe durchzuführen. Je älter Kinder werden, desto wichtiger ist es jedoch, dass sie Konsequenzen ihres Handelns selbst tragen und auch mit negativen Erlebnissen selbst fertig werden.“ Diese Erfahrungen führen nicht zum Verlust der Liebe des Kindes, sondern machen es handlungsfähig und erleichtern ihm die Gestaltung des eigenen Lebensprojektes, so Velazquez. Respekt und Wertschätzung dürften in der Eltern-Kind-Beziehung nicht angetastet werden, doch hätten sich diese Haltungen stets an der Wirklichkeit zu orientieren.

Das „Stehen auf den eigenen Füßen“ betrifft jedoch nicht nur die Kinder. Nach dem Auszug aus dem Elternhaus sehnen sich viele Eltern nach dem Kind, in das sie viel Lebensenergie investiert haben, fühlen sich einsam und oft auch ausgebeutet. „Eltern müssen akzeptieren, dass das Kind eines Tages sein eigenes Leben führt. Dabei kann es hilfreich sein, auf die eigene Selbsterfüllung zu achten und die Partnerbeziehung stärker zu pflegen.“ Die oft propagierte Sichtweise, die Kinder als Lebenserfüllung und Glück der Eltern zu sehen, sieht Velazquez als äußerst problematisch, da sie nur Enttäuschung und Frustrationen auslöse. Besonders Mütter würden unter dieser Situation leiden. „Angefangen von wirtschaftlichen Nachteilen, haben Frauen in der Regel weniger Handlungsspielraum als Männer und sind auch emotionell bedürftiger. Besonders im reifen Alter sind sie auf Erfüllung im eigenen Leben angewiesen, um nicht von den Kindern emotional abhängig zu sein“, so Velazquez.

Neben der Eigenständigkeit beider Seiten brauche eine erfüllende Eltern-Kind-Beziehung auch eine positive Konfliktkultur. „Konflikte sind zwischen zwei verschiedenen Generationen oft vorprogrammiert, da Dinge unterschiedlich gesehen werden. Die Beziehung muss daher nicht konfliktfrei, sondern konfliktfähig werden“, betont die Psychologin. Konflikte seien dann konstruktiver Teil der Beziehung, wenn sie deren Fortdauer nicht in Frage stellt und wenn die Beteiligten ihren Selbstwert nicht von der Reaktion des anderen abhängen lassen. „Das Ideal einer Beziehung von Eltern zu ihren erwachsenen Kindern ist eine herzliche Wertschätzung trotz Konflikten“, so Velazquez. Gehe das erwachsene Kind Konflikten stets aus dem Weg und entferne sich in Selbstständigkeit, sei dies ebenso belastend wie die Aufrechterhaltung des Kontakts nur aufgrund schlechten Gewissens, Schuld- und Pflichtgefühle oder aufgrund der Aussicht auf Erbe. „Solidarität, Menschlichkeit, Dankbarkeit und natürlich Liebe sind die besten Motive für die Aufrechterhaltung dieser Beziehung“, schließt die Wiener Psychologin.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.umich.edu

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