Sie wissen, aber sie handeln nicht!

Neue Studie zu Naturerfahrung und Naturschutzbewusstsein –
Der Naturschutz hat in Deutschland einen schweren Stand. Immer mehr Menschen messen dem Naturschutz weniger Bedeutung bei. Blieb die Umweltbildung in und außerhalb der Schule wirkungslos?

Ein klassischer Ansatz ist die Vermittlung von Umweltwissen. Derzeit sehr beliebt sind Aktivitäten zum Erleben und Erfahren von Natur. Ein Ansatz, der im Kommen ist, sind umweltethische Diskussionen mit Schülern. Durch welchen der Ansätze werden Jugendliche eher zu umweltgerechtem Handeln motiviert? Diese Frage sollte durch eine am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) durchgeführte Untersuchung beantwortet werden. Die Ergebnisse der Studie sind nun in dem Buch „Naturerfahrung und Naturschutzbewusstsein“ zusammengefasst, das im Studienverlag, Innsbruck, erschienen ist.

Befragung von Schülern

In der Untersuchung werden die grundlegenden Zusammenhänge von Naturerfahrung, Wertschätzung von Naturschutzbegründungen und Naturschutzbewusstsein beleuchtet. Das Naturschutzbewusstsein ist dabei unterteilt in Umweltwissen, Einstellung, Akzeptanz von Naturschutz-Maßnahmen und Umwelthandeln. Befragt wurden rund 900 Schülerinnen und Schüler aus fünfzig Gymnasien entlang der Elbe.

Umwelthandeln ist eher selten

Nur wenige der Schüler handeln umweltfreundlich (8%), wohingegen etwa 20% dies nicht tun. Weitere 20% sagen, sie würden umweltfreundlich handeln, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Knapp die Hälfte der Schüler ist unentschlossen und schwankt zwischen keinem oder umweltfreundlichem Handeln. In dieser Gruppe birgt sich noch Potential, denn hier könnte versucht werden zu umweltfreundlichem Handeln anzuregen. Der beste Hinweis („Prädiktor“) auf umweltfreundliches Handeln ist eine Teilnahme an Naturschutzgruppen. Es kann dabei allerdings nicht beurteilt werden, ob die Schüler aufgrund ihres Umweltbewusstseins zu diesen Gruppen gehen oder ob es sich dort entwickelt hat. Weitere gute Prädiktoren für Umwelthandeln sind die Naturerfahrungen der Schüler. Hierzu gehören Erfahrungen, wie sie über Entdecken, Beobachten, Nutzen der Natur, usw. gemacht werden. Je mehr Naturerfahrung die Schüler machen desto mehr umweltfreundliches Handeln zeigen sie.

Lernen, die Natur zu schätzen

Manche Naturerfahrungen sind abhängig von der Größe des Wohnortes der Schüler. So sind Naturerfahrungen mit Haustieren und Erfahrungen beim Anbau und Ernte von Pflanzen bei Schülern aus kleinen Orten häufiger. Hier scheint eine größere Gelegenheit zu bestehen, solche Erfahrungen zu machen. Allerdings zeigen die Dörfler kein vermehrtes Umwelthandeln. Die Städter scheinen ihre seltenen Naturerfahrungen mehr zu schätzen als die Dörfler. Es scheint deshalb wichtig, (wieder) zu lernen, die Natur zu schätzen. Wichtig ist folglich, nicht nur mehr Naturkontakte zu vermitteln, sondern dabei auch die Wertschätzung zu fördern. Dies ist eine Herausforderung an die schulische und außerschulische Umweltbildung.

Chance für die Zukunft

Insgesamt betrachtet, sind bei etwa 40% der Schüler nur geringe Naturerfahrungen und geringes Umweltbewusstsein (= Wissen, Einstellung, Akzeptanz, Handeln) vorhanden. In einer zweiten Gruppe sind hohe Naturerfahrungen mit hohem Umweltbewusstsein gepaart. Bei den übrigen Schülern jedoch gehen häufige Naturerfahrungen, hohes Umweltwissen und umweltfreundliche Einstellungen nur mit geringem Umwelthandeln einher. Hier ist aber zumindest die Akzeptanz von Naturschutz-Maßnahmen hoch. So bietet sich zumindest die Chance, dass in Zukunft möglicherweise auch unbequeme Bestimmungen zur Vermeidung von Umweltschäden politisch durchgesetzt werden können.

Geringe Wirkung von Umweltwissen

Umweltwissen – obwohl einer der klassischen Bereiche der Umweltbildung – spielt für die Vorhersage von Umwelthandeln kaum eine Rolle. Allerdings ist das Wissen insbesondere über ökosystemare Zusammenhänge einer der Faktoren für die Vorhersage der Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen.

Umweltethik und Umwelthandeln

Für die Differenzierung von Umwelthandeln spielen auch die Art der Naturschutzbegründungen eine Rolle, die für bedeutsam angesehen werden. Bei Schülern, die insgesamt den Naturschutzargumenten einen hohen Stellenwert einräumen, liegt vermehrt eine Absicht vor, mehr für die Umwelt tun zu wollen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Tatsächlich vermehrt handeln aber nur jene Personen, für die holistische (die gesamte Natur als moralisches Maß) und religiöse Begründungen von besonderer Bedeutung sind. Am wenigsten handeln jene Schüler, die die Natur aus ökonomischen Gründen oder für ihre Erholung schützen würden.

Schlussfolgerung für die Bildungspraxis

Umweltbildung oder Umweltethik in der Schule sind als ein Baustein eines komplexen Bildungs- und Lernprozesses zu sehen. Sie sind Elemente in einem Netz von Einflussfaktoren. Auf dem Weg zu umweltfreundlichem Handeln des Einzelnen kann die Schule nur einen Teil dazu beitragen. Lehrern kann dabei die Aufgabe als Begleiter oder Moderatoren für Lernprozesse zukommen, die die Schüler selbst unter dem Einfluss von außerschulischen Faktoren vollziehen.

Armin Lude:
Naturerfahrung und Naturschutzbewusstsein. Eine empirische Studie
Forschungen zur Fachdidaktik, Band 2
Studienverlag, Innsbruck 2001,
ISBN 3-7065-1595-4, 283 Seiten, 53.- DM (27.- Euro)

Verantwortlich und Rückfragen:
Dr. U. Ringelband und Dr. A. Lude
Tel.: 0431 / 880-3122 und -3113
Fax: 0431 / 880-5212 
E-Mail: ringelband@ipn.uni-kiel.de und lude@ipn.uni-kiel.de

Das IPN gehört zu den insgesamt 78 außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (WGL). Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär. Sie sind von überregionaler Bedeutung, betreiben Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse und werden deshalb von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.

Media Contact

Dr. Frank Stäudner idw

Weitere Informationen:

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