Was das Proton umtreibt

Protonen und Neutronen sind Bausteine aller Atomkerne und damit aller Materie. Sie setzen sich ihrerseits aus kleineren Teilchen zusammen, jeweils drei Quarks, die keine eigene innere Struktur aufweisen und durch sogenannte Gluonen aneinander gebunden werden.

Das Proton besitzt außerdem einen Drehimpuls („Spin“), von dem Physiker lange annahmen, dass er in erster Linie von den Quarks verursacht wird. 1987 jedoch ergab ein Experiment an der Großforschungseinrichtung CERN, dass der Spin des Protons nur zu einem kleinen Teil durch die Spins der Quarks entsteht ‒ und die Teilchenphysik stürzte in die „Spin-Krise“. Nun haben Wissenschaftler der Universität Tübingen erstmals festgestellt, dass den Gluonen eine wichtige Rolle zukommt und sie möglicherweise den Hauptanteil des Spins tragen.

Dr. Marco Stratmann und Professor Werner Vogelsang vom Institut für Theoretische Physik der Universität Tübingen und ihre Kollegen Professor Daniel de Florian und Professor Rodolfo Sassot von der Universidad de Buenos Aires, Argentinien, stützten sich bei ihren Untersuchungen auf neue experimentelle Daten des Teilchenbeschleunigers RHIC in den USA, an dem man Protonen zur Kollision bringt.

Gluonen sind die Träger der starken Kraft, eine der vier fundamentalen Wechselwirkungen in der Natur, und tragen maßgeblich zu diesen Kollisionen bei. So konnten die Wissenschaftler in umfangreichen computergestützten Studien die Spinverteilung von Gluonen im Proton bestimmen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ (Ausgabe 113, Seite 012001 (2014)) veröffentlicht.

Den Spin des Protons stellt man sich oft ähnlich wie die Rotation eines Kreisels vor. Tatsächlich wird das Proton jedoch nicht wie ein Kreisel von außen angestoßen, es handelt sich vielmehr um ein rein quantenmechanisches Phänomen: einen Drehimpuls, der den atomaren und subatomaren Teilchen in der Natur als Eigenschaft innewohnt und ebenso fundamental ist wie die Masse oder die elektrische Ladung eines Teilchens. Der Spin des Protons bildet zum Beispiel auch die Grundlage für die Kernspintomografie, mit der man detaillierte Aufnahmen aus dem Körperinnern erhält.

In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler nun, dass die Gluonen eine wichtige Rolle für den Protonenspin spielen und möglicherweise den bislang unerklärten Rest des Spins tragen. „Auch wenn noch weitere Daten und Analysen notwendig sein werden, um den Ursprung des Spins detailliert zu verstehen und die experimentellen und theoretischen Unsicherheiten zu reduzieren, ist dieses neue Ergebnis ein wichtiger Fortschritt“, sagt Marco Stratmann. „Nach mehr als 25 Jahren zeichnet sich endlich eine Lösung für die Spin-Krise ab, und wir können das Proton, das so fundamental wichtig für den Aufbau aller Materie ist, wieder etwas besser verstehen.“

Publikation: http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.113.012001

Kontakt:
Prof. Dr. Werner Vogelsang (derzeit per Mail erreichbar)
Universität Tübingen
Institut für Theoretische Physik
Auf der Morgenstelle 14 ∙ 72076 Tuebingen
(Telefon +49 7071 29-76372)
werner.vogelsang@uni-tuebingen.de

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Antje Karbe idw - Informationsdienst Wissenschaft

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