Von ultrakalten Atomen und Molekülen

Oscar Herrera-Sancho, Moritz Berngruber und Ruven Conrad (v.l.n.r.) beim Justieren der Laserstrahlen, die zum Anregen des Rydberg-Atoms verwendet werden.
Foto: Max Kovalenko

Der Physiker Prof. Óscar Herrera-Sancho aus Costa Rica liebt nordische Länder und die Kälte. Auch bei seinen Forschungen zu Rydberg-Atomen spielen extrem niedrige Temperaturen eine wichtige Rolle. Er ist als Humboldt-Stipendiat für erfahrene Forschende zu Gast am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart.

Seit November 2022 forscht Prof. Óscar Herrera-Sancho als Humboldt-Stipendiat bei Prof. Tilman Pfau, dem Leiter des 5. Physikalischen Instituts an der Universität Stuttgart. Die erste Besuchsphase endet im April 2023. Zwei weitere Besuche sind in den beiden Folgejahren geplant, auch jeweils von November bis April. Eigentlich keine schöne Jahreszeit für einen Besuch in Deutschland. Doch der Costa Ricaner mag die Kälte und auch in seiner Forschung spielen niedrige Temperaturen eine große Rolle.

Arbeiten in ultrakalter Gaswolke

Im Fokus der Forschung am 5. Physikalischen Institut stehen Experimente aus dem Bereich der Atom-, Molekül-, sowie optischen Physik und unter anderem die Erforschung von Rydberg-Atomen. Mit diesen beschäftigt sich auch der Humboldt-Stipendiat. Rydberg-Atome werden von den Forschenden in ultrakalten Gaswolken erzeugt. Bisher arbeitet Óscar Herrera-Sancho bei seinen Versuchen mit Rubidium, es besitzt in seiner äußeren Schale nur ein Elektron. Wenn dies weit nach außen befördert wird, entsteht ein sogenanntes Rydberg-Atom. Diese Atome zeichnen sich dadurch aus, dass sich mindestens ein Elektron in einem hoch angeregten Zustand befindet. Es ist mehr als tausendmal weiter vom Atomkern entfernt als im Grundzustand. Deshalb kann man Rydberg-Atome auch als Riesenatome bezeichnen, deren Eigenschaften ganz anders sind als im Grundzustand. Insbesondere untersuchen die Forscher*innen in ihrem Labor die Wechselwirkung zwischen Rydberg-Atomen und Ionen. Dabei beeinflusst das elektrische Feld des positiv geladenen Ions das Rydberg-Atom. So konnte zum Beispiel eine neue Molekülbindung zwischen Ionen und Rydberg-Atomen nachgewiesen werden.

Beobachtet werden die Atome mit einem Ionenmikroskop. Ein Ionenmikroskop ist vergleichbar mit einem Elektronenmikroskop. Allerdings werden hier die positiven Ionen gemessen und nicht, wie beim Elektronenmikroskop, die negativ geladenen Elektronen. Das Mikroskop besteht aus drei Linsen und erreicht eine relativ hohe räumliche Auflösung von 200 Nanometer.

Ionenmikroskop zeigt Schwingungen von Atomen

Die gesamte Anlage steht unter Vakuum. Mit Hilfe eines Ofens wird Rubidium bei etwa 100°C verdampft. Anschließend fliegen die heißen Rubidium-Atome mit etwa 1.000 km/h durch eine Röhre. Hier werden sie durch Magnetfelder und Laserstrahlen so lange abgebremst und gekühlt, bis sie sich kaum noch bewegen. So erreichen die Atome eine Temperatur knapp über dem absoluten Nullpunkt von -273°C. Bei diesen ultrakalten Temperaturen wird die Brownsche Zitterbewegung unterdrückt und so die eigentliche Atombewegung sichtbar.

„Das Bild, das wir mittels Ionenmikroskop von den Atomen erhalten, ist vergleichsweise klar, so dass man sogar die Schwingungen der Moleküle beobachten kann“, erläutert der Physiker aus Costa Rica.

Neue Ergebnisse durch Lithium erhofft

Interessante Ergebnisse erwarten die Wissenschaftler*innen vom Einsatz von Lithium-Atomen. Eine Aufgabe von Óscar Herrera-Sancho wird es sein, diesen Umstieg zu begleiten. Lithium ist etwa 12 mal leichter als Rubidium. Das erleichtert es, für bestimmte Experimente in Bereiche der Physik vorzudringen, in denen quantenmechanische Effekte dominieren.

Berühmte deutsche Naturwissenschaftler*innen weckten Interesse
Prof. Óscar Herrera-Sancho hat von 2009 bis 2012 in Hannover promoviert und war später als Postdoc in Innsbruck. Auf einer Konferenz in Neuseeland traf er Prof. Tilman Pfau und war von dessen Vortrag sehr beeindruckt. So entstand der Kontakt und 2020 folgte ein erster Forschungsaufenthalt an der Universität Stuttgart. Nach seiner erfolgreichen Bewerbung für ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung kann der Physiker seine Forschungen am 5. Physikalischen Institut weitere 18 Monate fortführen. Die Aufteilung in drei Aufenthalte erlaubt es Óscar Herrera-Sancho weiter an seinen Forschungen in Costa Rica zu arbeiten.

Dort untersucht er unter anderem mit Hilfe von künstlichen Magnetfeldern das Wanderverhalten von Schmetterlingen und studiert die Geschichte und die Materialzusammensetzung von alten Gemälden im Nationaltheater in der Landeshauptstadt San José.

Für Deutschland hat sich der Humboldt-Stipendiat schon früh interessiert, nicht zuletzt aufgrund der vielen berühmten deutschen Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Ihm gefällt, wie organisiert hier alles ist, und er mag die verschiedenen Jahreszeiten. Den Jahreswechsel hat er in Island verbracht, der hohe Norden hat ihn angezogen. Voller Begeisterung erzählt Óscar Herrera-Sancho von den Polarlichtern, die er dort gesehen hat.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Óscar Andrey Herrera Sancho, oaherrera(@)pi5.physik.uni-stuttgart.de, Tel. +49 711 685 68042

https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/meldungen/humboldt-stipendiat-herrera-sancho/

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Andrea Mayer-Grenu Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

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