Überraschender physikalischer Effekt aufgedeckt
Es klingt nach Zauberei: Ein ungeladenes Objekt in einer salzhaltigen Flüssigkeit bewegt sich nach oben, wenn ein elektrisches Feld angelegt wird, das nach rechts wirkt.
Der Trick dahinter: Das elektrische Feld erzeugt in der Flüssigkeit in der Nähe des elektrisch neutralen aber ladungsstrukturierten Objektes ein Strömungsprofil, das eine Kraft auf das Objekt ausübt.
Die Richtung dieser Kraft kann durch die Ladungsstruktur des Objektes beeinflusst werden und sogar im rechten Winkel zur Feldrichtung wirken. Mit Simulationstechniken hat die Arbeitsgruppe von Prof. Christian Holm vom Institut für Computerphysik der Universität Stuttgart zusammen mit kanadischen Physikern der Universität Ottawa diesen Effekt erstmals nachgewiesen.
Auch in der Natur sind die Ladungen vieler elektrisch neutraler Proteine ungleichmäßig auf der Oberfläche verteilt. Das jetzt entdeckte physikalische Phänomen könnte, so Prof. Holms Vorstellung, Elektrophorese-Geräte weiter verbessern helfen. Diese Geräte setzen Wissenschaftler ein, um beispielsweise Proteine aufzutrennen. Die salzhaltige Flüssigkeit, Laufpuffer genannt, die benötigt wird, um die Moleküle im elektrischen Feld aufzutrennen, könnte sich mit den neuen Erkenntnissen gezielt manipulieren lassen. Proteine ließen sich dann noch schneller und besser auftrennen.
Für die Simulation des physikalischen Phänomens entwickelten die Stuttgarter zusammen mit ihren Kollegen aus Ottawa einen neuartigen Algorithmus, der die Strömung einer salzhaltigen Flüssigkeit in einer ladungsstrukturierten Umgebung in Anwesenheit eines elektrischen Feldes simulieren kann – den sogenannten „elektroosmotischen Fluss“. Solche Simulationen sind beispielsweise auch nützlich, um das Verhalten von Blut in sogenannten Mikro- oder Nanofluidik-systemen zu verstehen, wie sie in der Biotechnologie („Lab-on-a-chip“) und Medizintechnik zunehmend zum Einsatz kommen.
Als Objekt für ihre Simulationsversuche verwendeten die Forscher ein Kreuz, das gleich viele positive und negative Ladungen trägt. Folglich ist das Kreuz ladungsneutral. Allerdings ordneten die Computerphysiker die Ladungen des virtuellen Kreuzes in einem speziellen Muster an (siehe Foto). Befand sich ein solches virtuelles Kreuz in einer salzhaltigen Flüssigkeit und legten die Wissenschaftler ein elektrisches Feld an, so bewegte sich das Kreuz im rechten Winkel zu dem Feld. Dass es dieses Phänomen theoretisch geben muss, hatten französische Wissenschaftler bereits vor mehr als zehn Jahren postuliert. Das Team aus Stuttgart und Ottawa konnte zeigen, dass es tatsächlich auftreten kann.
Das Kreuz, an dem die Physiker diese Theorie mit Simulationsversuchen bewiesen haben, gibt es in der Realität zwar nicht. Allerdings ist es denkbar, Nanoteilchen mit einer spezifischen Ladungsverteilung zu erzeugen, so dass die Strömung in der Flüssigkeit beispielsweise eine schiffsschraubenartige Drehbewegung des Teilchens hervorruft. Solche Nanoteilchen könnten dazu verwendet werden, um Flüssigkeitsströme in verbesserten Mikro- und Nanofluidiksystemen gezielt zu beeinflussen.
Ansprechpartner: Prof. Christian Holm, Institut für Computerphysik,
Tel. 0711/685-63701,
e-mail: christian.holm@icp.uni-stuttgart.de
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