Ingenieure der Universität Magdeburg revolutionieren molekulare Mikroskopie

Ingenieure der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben in Zusammenarbeit mit Kollegen des Forschungszentrums Jülich ein Verfahren entwickelt, die elektrischen Potenziale von Molekülen und molekularen Oberflächen in bisher unerreichter Präzision und Geschwindigkeit zu vermessen.

Mit der sogenannten Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie ist es ihnen erstmals gelungen, hochaufgelöste Landkarten molekularer elektrischer Potenziale, also der im Umfeld sämtlicher Materie vorkommenden elektrischen Felder, innerhalb von Minuten zu erstellen.

Die Forschungsergebnisse wurden soeben in der international renommierten Fachzeitschrift Nature Materials veröffentlicht.

„Sämtliche Materie besteht aus positiv geladenen Atomkernen und negativ geladenen Elektronen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Rolf Findeisen vom Institut für Automatisierungstechnik der Universität Magdeburg. „Diese erzeugen elektrische Potenziale. Mit herkömmlichen Verfahren war es bisher kaum möglich, diese kleinräumigen Felder zu vermessen, die für viele Eigenschaften und Funktionalitäten von Stoffen verantwortlich sind.“

Bei der neuentwickelten Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie wird ein einzelnes Molekül, der sogenannte Quantenpunkt, auf die Spitze der Nadel eines Rasterkraftmikroskops geheftet. Diese Spitze fährt mit dem Molekül bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, wie die Nadel eines Plattenspielers, über die Probe und erstellt so Stück für Stück und über Stunden eine zusammenhängende Darstellung der Oberfläche.

Prof. Rolf Findeisen entwickelte gemeinsam mit seinem Doktoranden Michael Maiworm für das neuartige Mikroskopierverfahren einen Regler – einen Algorithmus, der den Abtastvorgang steuert. Der macht die präzise, aber bisher sehr langwierige Vermessung von Potenzialen molekularer Auflösung in wenigen Minuten möglich.

„Mit dem neuen Regler können wir jetzt die gesamte Oberfläche eines Moleküls einfach scannen, wie mit einem normalen Rasterkraftmikroskop“, so Christian Wagner vom Forschungszentrum Jülich. Dies ermöglicht hochauflösende Bilder des Potenzials, die vorher unerreichbar schienen.

Einsatzmöglichkeiten für diese neue ungewöhnlich präzise und schnelle Mikroskopietechnik gebe es viele, führt Michael Maiworm aus, der den Regler maßgeblich im Rahmen seiner von Prof. Findeisen betreuten Dissertation entwickelte.

„Sie reichen von physikalischen Grundlagenfragen über die Halbleiterelektronik – bei der schon ein einzelnes Atom für die Funktionalität entscheidend sein kann – und molekulare chemische Reaktoren bis hin zur Charakterisierung von Biomolekülen wie unsere DNA oder biologische Oberflächen.“

Die Arbeit ist ein Teil einer Kooperation zwischen Magdeburg und Jülich, bei der es um die gezielte und automatisierte Manipulation von Objekten auf der Nanoebene geht. Hierbei erhält die molekulare Spitze eine Doppelfunktion: Sie ist gleichzeitig Messsonde und Werkzeug.

Das eröffnet die Möglichkeit, künftig mittels 3D-Druck Nanostrukturen herzustellen. Denkbar ist beispielsweise die Herstellung elektrischer Schaltkreise bestehend aus einzelnen Molekülen oder von Sensoren molekularer Dimension und Auflösung.

Prof. Dr.-Ing. Rolf Findeisen, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Institut für Automatisierungstechnik, Tel.: +49 391 67-58708, E-Mail: rolf.findeisen@ovgu.de

Quantitative imaging of electric surface potentials with single-atom sensitivity
Christian Wagner, Matthew. F. B. Green, Michael Maiworm, Philipp Leinen, Taner Esat, Nicola Ferri, Niklas Friedrich, Rolf Findeisen, Alexandre Tkatchenko, Ruslan Temirov, F. Stefan Tautz Nature Materials (published online 10 June 2019), DOI: 10.1038/s41563-019-0382-8
http://www.nature.com/articles/s41563-019-0382-8

Media Contact

Katharina Vorwerk idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-magdeburg.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer