Adaptives optisches neuronales Netz

Der Chip enthält fast 8.400 funktionsfähige künstliche Neuronen aus wellenleiter-integriertem Phasenwechselmaterial.
(c) Jonas Schütte / AG Pernice

… verbindet einige Tausend künstliche Neuronen.

Ein Team um die Physiker Prof. Dr. Wolfram Pernice und Prof. Dr. Martin Salinga und den Informatiker Prof. Dr. Benjamin Risse von der Universität Münster hat mit photonischen Prozessoren eine sogenannte ereignisbasierte Architektur entwickelt. Ähnlich dem Gehirn ermöglicht sie eine fortlaufende Anpassung der Verschaltung innerhalb des neuronalen Netzes.

Moderne Rechenmodelle, die beispielsweise für komplexe und leistungsfähige KI-Anwendungen genutzt werden, bringen herkömmliche digitale Computerprozessoren an ihre Grenzen. Neuartige Rechenarchitekturen, die der Funktionsweise biologischer neuronaler Netze nachempfunden sind, versprechen eine schnellere und energieeffiziente Datenverarbeitung. Mehrere Forscher haben nun mit photonischen Prozessoren, bei denen Daten mittels Licht transportiert und verarbeitet werden, eine sogenannte ereignisbasierte Architektur entwickelt.

Ähnlich dem Gehirn ermöglicht sie eine fortlaufende Anpassung der Verschaltung innerhalb des neuronalen Netzes. Die veränderbare Verschaltung ist eine Grundlage für Lernprozesse. Für die Studie hat ein Team des Sonderforschungsbereichs 1459 “Intelligent Matter” um die Physiker Prof. Dr. Wolfram Pernice, Prof. Dr. Martin Salinga und den Informatiker Prof. Dr. Benjamin Risse der Universität Münster mit Forschern der Universitäten Exeter und Oxford zusammengearbeitet. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.

Für ein maschinelles neuronales Netz benötigt man künstliche Neuronen, deren Aktivierungen durch äußere Anregungen und Verbindungen zu anderen Neuronen gegeben sind. Die Verbindungen zwischen diesen künstlichen Neuronen werden wie beim biologischen Vorbild Synapsen genannt. Das münstersche Forschungsteam nutzte für die aktuelle Studie ein Netz aus fast 8.400 optischen Neuronen aus wellenleiter-integriertem Phasenwechselmaterial und zeigte: Die Verbindung zwischen jeweils zwei dieser Neuronen kann tatsächlich stärker oder schwächer werden (synaptische Plastizität), und es können sich Verbindungen neu bilden oder bestehende Verbindungen auflösen (strukturelle Plastizität).

Die Synapsen waren dabei im Gegensatz zu anderen, ähnlichen Arbeiten keine Hardwareelemente, sondern durch die Eigenschaften der optischen Pulse codiert – durch die jeweilige Lichtwellenlänge und die Intensität des Pulses. Dadurch war es möglich, einige Tausend Neuronen auf einem einzigen Chip unterzubringen und optisch zu verbinden.

Im Vergleich zu den herkömmlichen elektronischen Prozessoren bieten lichtbasierte Prozessoren eine deutlich höhere Bandbreite und ermöglichen dabei die Durchführung komplexer Rechenaufgaben – bei geringerem Energieverbrauch. „Unser Ziel ist es, eine optische Rechenarchitektur zu entwickeln, die es langfristig ermöglicht, KI-Anwendungen schnell und energieeffizient zu berechnen“, fasst Frank Brückerhoff-Plückelmann, einer der Erstautoren, zusammen.

Zur Methode: Das eingesetzte, nichtflüchtige Phasenwechselmaterial kann zwischen einer ungeordneten Struktur und einer kristallinen Struktur mit geordnetem Atomgitter geschaltet werden. Diese Eigenschaft ermöglicht auch ohne Energiezufuhr eine dauerhafte Datenspeicherung. Die Forscher testeten die Leistung des neuronalen Netzes, indem sie es mit einem evolutionären Algorithmus darauf trainierten, zwischen deutschen und englischen Textbeispielen zu unterscheiden. Als Erkennungsparameter nutzten sie die Anzahl von Vokalen im Text.

Die Forscher erhielten finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Europäische Kommission sowie durch „UK Research and Innovation“.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Wolfram Pernice
E-Mail: wolfram.pernice@uni-muenster.de

Frank Brückerhoff-Plückelmann
E-Mail: frank.bp@uni-muenster.de

Physikalisches Institut (AG Responsive Nanosystems)
Universität Münster

Originalpublikation:

Brückerhoff-Plückelmann F. et al. (2023): Event-driven Adaptive Optical Neural Network. Science Advances Vol 9, Issue 42; DOI: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adi9127

https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=13643

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues Wirkprinzip gegen Tuberkulose

Gemeinsam ist es Forschenden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Duisburg-Essen (UDE) gelungen, eine Gruppe von Molekülen zu identifizieren und zu synthetisieren, die auf neue Art und Weise gegen…

Gefahr durch Weltraumschrott

Neue Ausgabe von „Physikkonkret“ beleuchtet Herausforderungen und Lösungen für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) veröffentlicht eine neue Ausgabe ihrer Publikationsreihe „Physikkonkret“ mit dem Titel „Weltraumschrott:…

Wasserstoff: Versuchsanlage macht Elektrolyseur und Wärmepumpe gemeinsam effizient

Die nachhaltige Energiewirtschaft wartet auf den grünen Wasserstoff. Neben Importen braucht es auch effiziente, also kostengünstige heimische Elektrolyseure, die aus grünem Strom Wasserstoff erzeugen und die Nebenprodukte Sauerstoff und Wärme…

Partner & Förderer