Wie bekommt man das Problem Plastikmüll in den Griff?
Im Jahr 2016 wurden insgesamt circa 335 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit produziert. Die Europäer produzieren jährlich circa 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. Allein davon entfielen im Jahr 2015 15,8 Millionen Tonnen auf Verpackungen. Das sind etwa 60 Prozent der gesamten Kunststoffmenge.
Aber was ist Plastik überhaupt?
Kunststoffe sind synthetische oder halbsynthetische organische Polymere. Sie sind leicht und kostengünstig und dabei trotzdem stark und langlebig. Umgangssprachlich wird meistens von „Plastik“ gesprochen – ein Sammelbegriff für die vielen Materialien, die entwickelt wurden, um die unterschiedlichen Bedürfnisse von Tausenden von Endprodukten zu erfüllen.
Die umfangreiche Anwendung von Kunststoffen hat in den letzten 50 Jahren zu einem kontinuierlichen Wachstum geführt, das sich voraussichtlich in den nächsten 20 Jahren noch verdoppeln wird.
Drei Kategorie von „Plastik“
Es werden drei Kategorien von Kunststoffmaterialien zusammengefasst. Duroplaste, das sind harte Kunststoffe, die nicht wieder geschmolzen und umgeformt werden können; Thermoplaste, die sich bei einer bestimmten Temperatur einschmelzen und wiederholt umformen oder recyceln lassen sowie Elastomere, elastisch verformbare Kunststoffe wie zum Beispiel Reifen oder Gummibänder.
Ein besonderes Problem stellen Wegwerfprodukte wie Besteck, Teller oder Strohhalme dar, die die EU jetzt mit einem neuen Gesetzesentwurf verbieten will. Aber auch Plastiktüten, Verpackungen oder Plastikspielzeug gehören dazu.
Sind biologisch abbaubare Verpackungen die Lösung?
Die meisten Kunststoffe stammen aus nicht erneuerbaren, fossilen Rohstoffen wie zum Beispiel Erdgas, Öl oder Kohle. Obwohl auch erneuerbare oder biobasierte Ressourcen wie Pflanzen-proteine, Pflanzenöl oder Kohlenhydrate für die Kunststoffproduktion verwendet werden – und diese für den Verbraucher als mögliche Lösung erscheinen – ist ihr Marktanteil momentan noch sehr klein.
Prof. Dr. Bernd Sadlowsky, Professor für Werkstoff- und Verpackungstechnik an der HAW Hamburg beschäftigt sich seit langem mit diesem Thema und weist darauf hin, dass die Kompostierung dieser Materialien noch ungeklärte Fragen und Risiken birgt. „Eine Empfehlung oder ein Anstreben hin zu biologisch abbaubaren Lebensmittelverpackungen kann ich nicht befürworten“, sagt Sadlowsky. Zum Beispiel zeige sich, dass eine Unterscheidung zwischen biologisch abbaubaren und konventionellen Kunststoffabfällen bei der Vorsortierung in industriellen Kompostierwerken nur sehr schwer bis gar nicht umsetzbar ist.
Wohin also mit dem Plastikmüll?
Die Recyclingquote von Plastikmüll in Deutschland liegt mit 46 Prozent über dem EU-Durchschnitt (31 Prozent). Mehr als die Hälfte (41,7 Prozent im EU-Durchschnitt) wird energetisch verwendet, also verbrannt. Dieser Prozess hinterlässt allerdings hochtoxische Rückstände. Ein Prozent landet in Deutschland auf Mülldeponien – der EU-Durchschnitt liegt dagegen bei 27,3 Prozent.
Was viele nicht wissen: In der hohen Recyclingquote Deutschlands ist der Teil inbegriffen, der ins Ausland verschifft wird. Der wichtigste Müllimporteur war bisher China. Doch das Land hat diesem Handel im Januar 2018 einen Riegel vorgeschoben. „Die jüngste Entscheidung von China den Import von 24 Abfallarten (einschließlich bestimmter Kunststoffabfälle) zu verbieten, hat ein Problem für das Recycling europäischer Kunststoffabfälle geschaffen“, sagt Prof. Leal, der sich mit Aspekten der Nachhaltigkeit und mit der sinnvollen Nutzung von Plastik beschäftigt.
„Neue Abnehmer sind nun Länder wie Malaysia, die den Müll wiederverwerten. Zu welchen Umweltstandards das allerdings geschieht oder ob der Müll verbrannt oder vergraben wird, ist unklar“, vermutet Adrian Stepanek, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FTZ-NK.
Plastikmüll, seine Folgen und das Bewusstsein in der Bevölkerung
Prof. Leal hat in diesem Zusammenhang ein Projekt an der HAW Hamburg initiiert, in dem es um Umweltgesundheit und um das regionale Bewusstsein bei den Hamburgerinnen und Hamburgern geht. Letzteres will Stepanek, Student der Gesundheitswissenschaften, mit Hilfe seiner Bachelorarbeit und einer Online-Umfrage herausfinden (Hier geht es zur Umfrage).
„Erste Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass ein Bewusstsein für Plastikmüll besteht und weniger Plastiktüten und andere Einweggegenstände benutzt werden“, sagt Stepanek. Allerdings beschränkt sich dieses Bewusstsein auf die Umweltbelastung, während gesundheitliche Aspekte vom Verbaucher meist nicht beachtet werden.
Um welche Auswirkungen handelt es sich? Der angehende Gesundheitswissenschaftler Stepanek zählt Aspekte auf: „Kunststoffe im Trinkwasser, in Kosmetika oder Lebensmitteln beeinflussen erwiesenermaßen den Hormonhaushalt, können zu Krebs, Diabetes oder zu Fettleibigkeit führen und der Entwicklung des Gehirns und der Nerven schaden.“ Zum Beispiel kann sich die Chemikalie Bisphenol A (BPA), die in Trinkflaschen oder Brotdosen vorkommt, durch Wärme aus dem Material lösen und über die Nahrung aufgenommen werden.
In der Online-Umfrage wird außerdem untersucht, wie die möglichen finanziellen Mittel des Verbauchers die Produktion von Plastikmüll beeinflussen. „Es geht nicht nur darum, ob der Verbraucher über Wissen verfügt oder Bereitschaft zur Konsumänderung zeigt, sondern auch, ob er finanziell dazu in der Lage ist“, sagt Stepanek. Seiner Einschätzung nach sollte ein Umdenken daher vor allem aus der Politik kommen – zum Beispiel durch eine Plastiksteuer, die von den Produzenten und nicht von den Verbrauchern zu tragen ist.
Mikroplastik in der aquatischen Umwelt
Mit Bildern von verendeten Vögeln, die sich am Plastikmüll strangulieren oder verhungern, weil ihre Mägen mit Plastik gefüllt sind, wird die Problematik oftmals in den Medien veranschaulicht. Im Gegensatz dazu ist Mikroplastik jedoch „unsichtbar“ und deshalb weniger greifbar.
Prof. Dr. habil. Gesine Witt, Professorin für Umweltchemie an der Fakultät Life Sciences der HAW Hamburg, beschäftigt sich mit der Verunreinigung von natürlichen Gewässern durch Mikroplastik. Das sind Kunststoffteilchen in Milli-, Mikro- und Nanometergröße. Zunehmend erweist sich Mikroplastik als allgegenwärtiges Problem, dessen Ausmaß und Konsequenzen für Mensch und Umwelt jedoch noch gar nicht absehbar sind.
„Sowohl Küstengewässer als auch Binnengewässer wie Flüsse und Seen sind von dieser Kontamination betroffen“, erklärt Prof. Witt. Dabei ist nicht nur das Vorhandensein von Mikroplastik in den Gewässern – und damit auch in den dort vorhandenen Lebewesen – als problematisch einzustufen. In ihrem Forschungsprojekt wurde herausgefunden, dass kleinste Plastikteile auf Schadstoffe wie Magnete wirken: Je länger sie sich im Wasser befinden, desto mehr Giftstoffe binden sie an sich. „Zahlreiche Hinweise belegen, dass aquatische Organismen wie Würmer, Muscheln und Fische Mikroplastikpartikel, die sich im Sediment abgelagert haben, in ihren Verdauungstrakt aufnehmen. Allerdings steht das Wissen um die möglichen toxischen Schädigungen erst am Anfang“, sagt Prof. Witt, die sich ebenfalls mit der toxikologischen Wirkung beschäftigt. Beim 30. Hamburger Kolloquium zur Abwasserwirtschaft am 11. und 12. September 2018 wird sie einen Vortrag halten über ihr Thema „Mikroplastik und Nanopartikel in Gewässern“.
Information zur Veranstaltung
Wann: 11. und 12. September 2018
Wo: Technische Universität Hamburg (TUHH), Das Kolloquium findet im Audimax II im Gebäude I (Denickestraße 22) statt, die Abendveranstaltung am 11.9.2018 im Foyer vor dem Tagungsraum.
Anmeldung: www.tuhh.de/aww/veranstaltungen
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https://www.umfrageonline.com/s/1266e8f
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https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bpa-bisphenol-ia.html
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