Brustkrebsfrüherkennung mit neuen 3D-Technologien

Die weibliche Brust ist ein geradezu faszinierendes Organ. Dicht umhüllt von Muskel- und Fettgewebe ruht in ihrem Innern die Brustdüse, die während der Schwangerschaft wie von Zauberhand aktiv wird.

Sie ist ein komplexes Gewebe aus diversen Zelltypen – aus Milchdrüsenzellen, in denen sich Milch sammelt oder Myoepithelzellen, die die Flüssigkeit in hauchfeine Milchgänge pressen. Fatalerweise bilden sich in diesem Leben spendenden Organ verhältnismäßig häufig gefährliche Tumore, die sogenannten Mammakarzinome. Tatsächlich ist der Brustkrebs in den westlichen Industrienationen eine der häufigsten Krebserkrankungen.

Jede zehnte Frau in Deutschland ist davon betroffen. Doch trotz dieser erschreckenden Zahlen lässt sich der Brustkrebs oftmals wirkungsvoll bekämpfen, sofern man ihn rechtzeitig entdeckt.

Die beste Waffe gegen den Brustkrebs ist damit die Früherkennung. In Deutschland und vielen anderen Ländern haben die Gesundheitsbehörden deshalb sogenannte Screenings eingeführt, Reihenuntersuchungen der Bevölkerung: In Deutschland werden Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren von einer zentralen Koordinationsstelle eingeladen, um nach einem standardisierten Verfahren kostenlos gecheckt zu werden.

Die Ärzte untersuchen die Frauen dabei mit einem Mammographiegerät, einem speziellen Röntgenapparat, in dem die Brust ein wenig zusammengedrückt und dann in Gänze durchleuchtet wird. Krankhafte Veränderungen im Brustgewebe werden so im Mammographiebild sichtbar. Das Screening-Programm sieht vor, die Frauen über einen Zeitraum von 20 Jahren alle zwei Jahre zu untersuchen. Der Gemeinsame Bundesausschuss Mammographie geht davon aus, dass durch diesen regelmäßigen Check eine von 200 Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt wird.

Kritiker bemängeln, dass der Erfolg nicht belegt sei, dass das Screening viel Geld verschlinge, aber wenig Nutzen brächte. Ein Hauptkritikpunkt: Die Mammographie liefere zu häufig falschpositive Befunde, also einen Krebsverdacht, obwohl die Patientin nicht an Brustkrebs erkrankt ist. Die Folge: In vielen Fällen entnimmt man der Frau zur Sicherheit per Biopsie, per Punktierung, Brustgewebe. Ein schmerzhafter Eingriff, der beim falschpositiven Befund völlig unnötig ist.

Doch diese Gegenargumente verlieren in dem Maße an Schlagkraft, wie die Diagnosetechnik verbessert wird, denn sicher ist, dass die Untersuchungen dadurch sowohl zuverlässiger als auch effizienter und damit kostengünstiger werden. Ein Beispiel ist die neue Diagnosetechnik von Siemens Healthcare aus Erlangen, die jetzt erstmals die dreidimensionale Bildgebung in die Brustkrebsvorsorge eingeführt hat. Die Erlanger haben die bewährte Mammographieplattform „Mammomat Inspiration“ um die neue „3D-Tomosynthese“ erweitert. Anders als bisher üblich wird die Brust damit nicht mehr nur in einer einzigen festen Stellung zweidimensional durchleuchtet. Stattdessen schwenkt die Röntgenquelle jetzt in einem 50-Grad-Bogen um die Brust herum. Das Gerät nimmt dabei 25 extrem kurze einzelne Röntgenaufnahmen mit äußerst geringer Strahlungsdosis auf. Diese einzelnen Schnittbilder der Brust werden anschließend automatisch zu einem 3D-Bild zusammengesetzt.

Der Vorteil gegenüber der klassischen 2D-Technik ist erheblich, denn im 3D-Bild können verdächtige Gewebeveränderungen, sogenannte Läsionen, deutlich besser erkannt werden. Zum einen lassen sich damit Größe und Art der Läsionen besser einschätzen. Zum anderen lassen sich im 3D-Bild kleine Mikroverkalkungen besser orten, die ein erstes Anzeichen für Brustkrebs sein können. Im umgekehrten Fall kann verhindert werden, dass eine ungünstige Überlagerung von gesundem Gewebe fälschlicherweise als bösartige Veränderung interpretiert wird.

Bei der herkömmlichen 2D-Mammographie werden bislang häufig mehrere Einzelaufnahmen sowie eine vergrößerte Röntgenaufnahme aufgenommen, wenn der erste Befund unsicher ist, beispielsweise weil die Läsion unscharf abgebildet oder durch umliegendes Gewebe verdeckt ist. Führen auch diese Detailaufnahmen nicht zum Ziel, folgt meist die Biopsie. Mit einer zuverlässigeren 3D-Bildgebung lässt sich das unter Umständen umgehen. „Durch die Tomosynthese wird die Mammographie für Arzt und Patientin stressfreier. Nach den bisherigen ersten Eindrücken können Zusatzuntersuchungen und Interventionen mit gutem Gewissen vermieden werden. In dichtem Drüsengewebe versteckte Läsionen werden frühzeitiger entdeckt“, sagt Dr. Renate Tewaag von der Radprax-Gruppe, einem Praxisverbund für Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie in Wuppertal. Tewaag arbeitet als eine der ersten Radiologen in Deutschland mit der neuen Technologie. „Diese 3D-Technologie bietet beeindruckende Verbesserungen der Detailerkennbarkeit.“

Bei besonders dichtem Brustgewebe stößt die herkömmliche Mammographie an physikalische Grenzen, bei Frauen mit kleinen Brüsten etwa. Das ist bei etwa 40 Prozent der Frauen der Fall. Bei ihnen wird die Röntgenstrahlung so stark geschwächt, dass Details in der Brust kaum noch zu erkennen sind. Hier kann die 3D-Tomosynthese besonders vorteilhaft sein, da überlagertes dichtes Drüsengewebe bei der Erstellung der Schichtbilder rechnerisch entfernt wird. Eine alternative Zusatzuntersuchung zur Mammographie ist der Ultraschall, der dichtes Gewebe besser abtastet. Schon lange greifen Mediziner daher zu diesem Verfahren, wenn die Mammographie unklare Befunde liefert. Sie setzen ihn vor allem ein, um zwischen harmlosen Zysten und potentiell gefährlichen Tumoren zu unterscheiden. Eine Studie der Radiological Society of North America kam 2002 zu dem Schluss, dass eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung die Erkennungsrate von nicht-tastbarem Brustkrebs um 42 Prozent erhöht. Lange Zeit aber war die Qualität einer Ultraschalluntersuchung vom untersuchenden Arzt abhängig, denn der Schallkopf wird per Hand geführt. Zudem war eine solche Untersuchung zeitraubend. Mit seinem neuen Ultraschallsystem Acuson S2000 ABVS (Automated Breast Volume Scanner) hat Siemens ein Gerät entwickelt, das diese Probleme auf einen Streich löst. Auch dieses System liefert erstmals dreidimensionale Abbildungen der Brust.

Der Clou ist das automatische Scannen der Brust. Der Patientin wird dafür ein kleiner Kunststoffkasten auf die Brust gesetzt, in dem der Schallkopf automatisch zwei bis drei Mal über die ganze Brust wandert. Die Software errechnet daraus anschließend das 3D-Volumen und überträgt es auf den Bildschirm des Arztes. Das ist geradezu ein Paradigmenwechsel, denn bisher befundet der Arzt die Brust direkt während der Untersuchung am Monitor, wenn er den Schallkopf führt. „Das ABVS-System ist eine faszinierende Weiterentwicklung zu der bisherigen Methode der handgeführten Ultraschalluntersuchung. Die Automatisierung erlaubt unabhängig vom Untersucher immer die gleiche Aufnahmequalität“, sagt der Radiologe Dr. Frank Stöblen, Miteigentümer des Essener Diavero-Diagnosezentrums, einer der ersten, der die Technik einsetzt. Dank der standardisierten Qualität und der Möglichkeit zur benutzerunabhängigen Untersuchung, ist es jetzt sogar möglich, den Ultraschallscan von geschultem Personal durchführen zu lassen. Der Arzt kann sich ganz auf die Diagnose konzentrieren. Ein weiterer Vorteil: Die Automatisierung halbiert den zeitlichen Aufwand für eine Ultraschalluntersuchung von etwa 30 auf rund 15 Minuten. Gerade für ein Screening-Programm, das auf hohen Patientendurchsatz setzt, könnte dies ein erheblicher Gewinn sein und ein enormes Einsparpotenzial bieten.

Bei Frauen mit dichtem Brustgewebe führt Stöblen nach der Mammographie grundsätzlich eine ergänzende Ultraschalluntersuchung durch, damit er sicher sein kann, wirklich alles entdeckt zu haben. Mit dem ABVS verkürzt sich dieser Prozess. Mehr noch: Dank des 3D-Bildes kann die Brust von der Spitze der Brustwarze nach hinten Schicht für Schicht im Detail abgebildet werden. Eine solche Darstellung war bislang nicht möglich, ist bei der Diagnose oder der Planung chirurgischer Eingriffe aber extrem hilfreich. Darüber hinaus eignet sich, so Stöblen, die neue 3D-Technik insbesondere auch für die Befundung bei Frauen, die aufgrund ihrer Familiengeschichte ein höheres Brustkrebsrisiko haben.

Derzeit folgt in Deutschland nur gut die Hälfte der Frauen der Einladung zum Screening. In anderen Ländern ist der Anteil höher, doch letztlich gibt es überall Frauen, die der Aufforderung nicht nachkommen wollen. Laut einer im kanadischen British Columbia Medical Journal veröffentlichten Umfrage hat das mehrere Gründe. Die meisten Patientinnen zögern, weil sie entweder Angst vor den Schmerzen haben, weil sie das Risiko für eine Erkrankung als gering einschätzen oder weil sie sich vor der Röntgenstrahlung fürchten. Eine Lösung sieht Jochen Dick von Siemens Healthcare in der konsequenten Verbesserung der Bildgebung. „Die kann nicht nur die Zuverlässigkeit des Screenings verbessern, sondern zugleich das Vertrauen der Frauen weiter erhöhen. Schnelle, effiziente und sichere Verfahren wie die 3D-Tomosynthese und ABVS könnten dazu beitragen, die Sorgen zu zerstreuen.“ Die Arbeit geht weiter: Im Rahmen des „Medical Valley“, einem medizintechnischen Exzellenz-Cluster in der Region Erlangen-Nürnberg etwa, arbeitet Siemens derzeit an der Verschmelzung von Mammographie- und Ultraschallbild. Eine solche Gesamtaufnahme würde dem Arzt in Rekordzeit einen umfassenden Eindruck von der Brust einer Patientin liefern. Noch gibt es die Technik nicht, aber für Dick ist eines schon jetzt klar: Eine zuverlässigere Krebsvorsorgetechnik kann es kaum geben.

Media Contact

Elke Fuchs Siemens Healthcare

Weitere Informationen:

http://www.siemens.com

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