Hilfe nach Zeckenstich

30 Prozent der Parasiten übertragen Borrelien, Erreger der Lyme-Borreliose, die Gelenke und Organe schädigen kann. Die Krankheit bleibt oft unerkannt. Ein neuartiges Gel soll künftig – nach dem Zeckenstich aufgetragen – einer Infektion vorbeugen.

Jahrelang litt Frau S. an Gelenk- und Kopfschmerzen. Nach einer Odyssee durch die Wartezimmer von Ärzten diagnostizierte ein Mediziner Lyme-Borreliose – eine Infektionskrankheit, die durch Zecken übertragen wird. Beim Stich hatte der Parasit die Bakterien eingeschleust, die sich dann im ganzen Körper ausbreiteten. Frau S. ist kein Einzelfall – die Krankheit wird oft zu spät, gar nicht erkannt oder falsch behandelt. Vor allem, wenn die charakteristische Rötung rund um die Stichstelle ausbleibt, sind Ärzte ratlos. Unbehandelt kann eine Lyme-Borreliose Rheuma-ähnliche Beschwerden auslösen, Gelenke, Muskeln sowie Nerven schädigen und Organe befallen.

Rechtzeitig entdeckt lässt sie sich gut therapieren. Weisen Patienten krankheitsspezifische Symptome wie die Wanderröte auf, verschreiben Ärzte für einige Wochen Antibiotika. Ist die Krankheit jedoch weit vorgeschritten oder wie im Fall von Frau S. chronisch, lässt sie sich nur noch schwer bekämpfen. Eine zugelassene Therapie zur Prophylaxe liegt derzeit nicht vor, ein Impfstoff gegen die Infektion fehlt. Künftig soll ein neuartiges Gel die Infektion bereits im Keim ersticken: Betroffene müssen es sofort nach dem Zeckenstich lokal auftragen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig entwickeln das Medikament in enger Zusammenarbeit mit der Schweizer Ixodes AG und dem Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der LMU München. Für die Rezeptur des Präparates zeichnet die Ixodes AG verantwortlich, die präklinischen Studien und die serologischen Untersuchungen führen das IZI und die LMU durch.

»Trägt man das Gel gleich nach dem Entfernen der Zecke an der Stichstelle auf und wartet gar nicht erst eventuelle Symptome ab, könnte die Lyme-Borreliose verhindert werden. Denn die Bakterien halten sich die ersten Tage um die Zeckenstichstelle auf und breiten sich erst dann aus. Der aktive Wirkstoff des Gels ist Azithromyzin, das sehr effektiv gegen Borrelien wirkt und diese lokal in der Haut abtötet«, sagt Dr. Jens Knauer, Projektleiter am IZI. Im Gegensatz zu anderen Antibiotika sind keine Resistenzen von Borrelienstämmen gegen Azithromyzin bekannt. Ein weiterer Vorteil des Wirkstoffs: Er ist nebenwirkungsarm, belastet den Körper daher nicht. Außerdem zeichnet er sich durch seine gute Depotwirkung von bis zu fünf Tagen im Gewebe aus. Die Behandlung ist nur dann erfolgreich, wenn das Arzneimittel innerhalb der ersten fünf Tage nach dem Zeckenstich aufgetragen wird. »Eine etablierte Infektion lässt sich mit dem Gel jedoch nicht therapieren, es eignet sich ausschließlich zur Prophylaxe«, betont Knauer.

Die präklinischen Studien wurden bereits erfolgreich abgeschlossen, das Gel war in Untersuchungen selbst fünf Tage nach erfolgtem Zeckenstich bei Mäusen noch wirksam. Die Anwendung ist patentiert. Seit diesem Sommer testen die Forscher das Medikament an Personen mit nachgewiesenen Zeckenstichen in einer klinischen Phase-III-Studie (www.zeckenstudie.com). »Sollten sich die Ergebnisse der präklinischen Untersuchungen an Menschen bestätigen, kann das Gel helfen, die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu senken«, sagt der Experte. Allein in Deutschland erkranken nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts jährlich bis zu 60 000 Menschen an der Lyme-Borreliose. Tendenz steigend – denn aufgrund des Klimawandels breiten sich Zecken immer mehr aus. »Sobald das Gel in Apotheken zu kaufen ist, sollten besonders gefährdete Personen wie beispielsweise Forstbedienstete, Jäger, Jogger oder Fußballspieler es immer bei sich tragen«, empfiehlt Knauer.

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Britta Widmann Fraunhofer-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.fraunhofer.de

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