Erfolgreiche Nierentransplantation trotz Gewebeunverträglichkeit

Spendernieren können erfolgreich transplantiert werden, auch wenn zwischen Spender und Empfänger starke Gewebeunverträglichkeiten bestehen. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. Christian Morath, Oberarzt am Nierenzentrum der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Leiter: Professor Dr. Martin Zeier) und Professor Dr. Caner Süsal, Leiter des Antikörperlabors in der Abteilung für Transplantationsimmunologie des Universitätsklinikums Heidelberg, hat in einer Studie an 34 sensibilisierten Hochrisiko-Patienten gezeigt, dass sich die Erfolgsrate dieser Patienten nicht von der Erfolgsrate mit geringem immunologischem Risiko unterscheidet; nach einem Jahr funktionierten noch rund 95 Prozent der Transplantate. Speziell für diese Gruppe von Hochrisiko-Patienten haben die Heidelberger Wissenschaftler ein ausgeklügeltes Therapiekonzept entwickelt. Das Transplantationszentrum Heidelberg ist damit deutschlandweit führend auf diesem Gebiet. Die Studienergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Transplantation“ veröffentlicht.

Wenn die Nieren nicht mehr arbeiten, müssen die Patienten entweder regelmäßig zur Dialyse oder sie erhalten eine Spenderniere (Transplantation). Das Organ kommt dabei entweder von hirntoten Spendern oder von einer dem Patienten nahestehenden Person (Lebendspende). Blutgruppe und Gewebeverträglichkeitsmerkmale (HLA-Merkmale) von Spender und Empfänger sollten möglichst übereinstimmen. Da der Empfängerorganismus selbst bei gleichen HLA-Merkmalen immer versucht, das fremde Organ abzustoßen, müssen die Patienten nach der Transplantation lebenslang Medikamente einnehmen, die die körpereigene Abwehr unterdrücken (Immunsuppression).

Präoperative Risikoeinschätzung für immunologische Hochrisiko-Patienten

Forscher der Heidelberger Abteilung für Transplantationsimmunologie sammelten mehrere Jahre lang Daten in der weltweit größten Datenbank zur Nierentransplantation (Collaborative Transplant Study), um immunologische Hochrisiko-Patienten zu identifizieren. Solche Patienten haben z.B. nach Schwangerschaften, Bluttransfusionen oder Vortransplantationen Antikörper gegen fremde Gewebemerkmale gebildet und deshalb nur geringe Chancen, ein Spenderorgan zu erhalten, bei dem die Gewebeübereinstimmungsprobe (Crossmatch) direkt vor der Operation negativ ausfällt. „Das Risiko, dass das transplantierte Organ schon bald nach der Operation wieder abgestoßen wird, ist bei ihnen besonders groß. Nur mit zusätzlichen Maßnahmen können Hochrisiko-Patienten erfolgreich transplantiert werden“, erklärt Professor Dr. Caner Süsal, Leiter des Antikörperlabors in der Abteilung für Transplantationsimmunologie.

Gleiche Transplantatüberlebensraten wie bei nicht-immunisierten Patienten

In der aktuellen Studie erhielten 34 immunologische Hochrisiko-Patienten vor und nach der Transplantation der Spenderniere eines Hirntoten (28) oder eines Lebendspenders (6) eine Plasmapherese bzw. Immunadsorption. Dies sind Verfahren, die vorhandene Antikörper aus dem Blut der Organempfänger entfernen. Zusätzlich bekamen die Patienten ein Medikament (Rituximab), das die Zellen, die neue Antikörper bilden könnten, zerstört. Mit Hilfe der intensivierten Immunsuppression und einer engmaschigen Überwachung eventueller Abstoßungsreaktionen waren rund 95 Prozent der transplantierten Nieren nach einem Jahr weiterhin funktionsfähig.

Komplikationen der im Vergleich zu nicht-immunisierten Patienten stärkeren Immunsuppression waren selten und gut beherrschbar. „Mit Hilfe der von uns getesteten Kriterien können wir Patienten nierentransplantieren, die früher meist lebenslang an der Dialyse blieben und das mit Erfolgsraten, die denen nicht immunisierter Patienten entsprechen. Unser Hochrisikopatienten-Programm ist ein gutes Beispiel dafür, wie Ergebnisse aus der Forschung nach intensiver Evaluierung erfolgreich in die Klinik umgesetzt werden“, so Privatdozent Dr. Christian Morath und Dr. Jörg Beimler, Oberarzt am Nierenzentrum der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, erfreut. „Wenn wir nach der neuen Handlungsanleitung vorgehen, sind Barrieren wie Blutgruppenunverträglichkeiten und positives Crossmatch kein Ausschlusskriterium mehr für eine Transplantation“, ergänzt Professor Jan Schmidt, Sektionsleiter der Transplantationschirurgie.

Bisher jüngster Patient erfolgreich transplantiert

Inzwischen wurden in Heidelberg 49 Patienten erfolgreich nach dem Schema behandelt, zuletzt ein Kind, das mit 13 Jahren der bisher jüngste Patient ist, der von dem Programm profitiert hat. „Der Junge ist wohlauf und die Niere hat ihre Arbeit bereits komplett aufgenommen“, berichtet Professor Burkhard Tönshoff, Leitender Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin.

Intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Die Transplantation der Hochrisiko-Patienten erfordert einen täglichen, manchmal auch mehrfach täglichen, Informationsaustausch zwischen den Spezialisten und eine reibungslose interdisziplinäre Kommunikation. Die hervorragenden Ergebnisse zeigen, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen am Transplantationszentrum in Heidelberg gut funktioniert.

Weitere Informationen im Internet:
www.ctstransplant.org
www.nierenzentrum-heidelberg.com
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Transplantationszentrum.103682.0.html
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Transplantations-Immunologie.1250.0.html?&FS=%2F%28null%29
Literatur:
Morath C, Beimler J, Opelz G, Ovens J, Scherer S, Schmidt J, Schmied B, Gross ML, Schwenger V, Zeier M, Süsal C. An Integrative Approach for the Transplantation of High-Risk Sensitized Patients. Transplantation, 2010 Jul 27. [Epub ahead of print]
Ansprechpartner:
PD Dr. med. Christian Morath
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Nierenzentrum
Im Neuenheimer Feld 162
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 91 120
Fax: 06221 / 91 12 990
E-Mail: christian_morath@med.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. med. Jan Schmidt
Stellvertretender Ärztlicher Direktor
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 62 05
Fax: 06221 / 56 57 81
E-Mail: Jan.Schmidt@med.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. med. Caner Süsal
Antikörperlabor
Abteilung Transplantationsimmunologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 306
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 55 46
Fax: 06221 / 56 42 00
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Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
Bei Rückfragen von Journalisten:
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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
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