Krebsbehandlung: eine Priorität für Patienten in Europa

Jeder dritte Europäer sieht sich irgendwann in seinem Leben mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Doch wird in Europa dem Grundsatz „gleicher Zugang für gleiche Bedürfnisse“ wirklich Rechnung getragen? Dieser Diskussion stellten sich sowohl Krebs-Experten als auch Patientenvertreter im Rahmen des diesjährigen European Health Forums in Bad Hofgastein.

Nicht jeder Urologe ist gleichzeitig Krebs-Experte

Was passiert, wenn die Diagnose „Prostata-Krebs“ lautet? Der Arzt wird im Normalfall drei Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen: Operation, Bestrahlung oder – wenn der Patient schon fortgeschrittenen Alters ist – Abwarten und Daumendrehen. „Dabei sind das bei weitem nicht alle Therapievarianten, die es heutzutage gibt“, kritisiert Patientenvertreter Christian Ligensa, Vizepräsident des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe, Deutschland, beim 7. European Health Forum Gastein (EHFG). Die genannten Möglichkeiten brächten nicht selten Einschränkungen in der Lebensqualität mit sich, etwa Inkontinenz oder Potenzstörungen. „Ein Patient, der von seinem Urologen über alle Behandlungsarten plus möglicher Nebenerscheinungen aufgeklärt wird, kann sich glücklich schätzen.“ Doch leider geschehe das viel zu selten, bedauert Ligensa. Nicht aus mangelndem Engagement seitens des Arztes, sondern schlichtweg, weil sich „Urologen primär auf Organe verstehen, aber keine Krebsspezialisten sind“.

Gefangen im Informationslabyrint

Viele Patienten nutzen heute bereits andere Informationsquellen als nur den Arzt – sie konsultieren Bücher, das Internet, Selbsthilfegruppen. „Plötzlich sehen sie sich mit einer überwältigenden Vielfalt an Heilungsansätzen konfrontiert, hervorragenden wie zweifelhaften. In den meisten Fällen sind die Patienten ohnehin dazu verdammt, sich so behandeln zu lassen, wie es das Gesundheitssystem auch finanziell abdeckt“, beschreibt Ligensa die aktuelle Situation. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma sei es, „ein mündiger Patient zu werden und sich für eine optimale Behandlung auch stark zu machen“. Der Patientenvertreter fordert, ein interdisziplinäres Netzwerk aufzubauen und ein Kompetenzzentrum zu schaffen, bei dem alle Behandlungsmethoden geprüft, die besten herausgefiltert und die allen Patienten in Europa auch zugänglich gemacht werden sollten.

Erfolgreiches Lobbying für Brustkrebspatienten

Dass seine Forderung nicht in das Reich der frommen Wünschen verbannt werden muss, beweist Susan Knox von EUROPA DONNA-The European Breast Cancer Coalition,. Die Organisation begann im Jahr 2000 mit gezieltem Lobbying, um von EU-Seite Schützenhilfe für ihr Anliegen zu erhalten, die Brustkrebsvorsorge und -behandlung in Europa so schnell wie möglich zu verbessern.

State-of-the-Art-Behandlung für alle europäischen Frauen

Da das Europäische Parlament der Forderung nach einer Qualitätsbehandlung stattgegeben hat und damit ein Präzedenzfall geschaffen wurde, können sich nun Mitgliedorganisationen darauf berufen, wenn sie in ihren eigenen Ländern Kampagnen starten. „Doch es muss noch viel erreicht werden, ehe die europäische Politik auf nationalem Level umgesetzt wird“, gibt Knox zu. Bislang wurden in 14 Staaten Initiativen gestartet. „Wir sind aber zuversichtlich, dass wir unsere Sache vorantreiben können. Immer mehr Frauen engagieren sich bei Europa DONNA. In den letzten fünf Jahren ist unserer Mitgliederzahl von 19 auf 34 Länder gewachsen. Wir haben eine Kernaufgabe, die uns verbindet: eine Brustkrebsbehandlung nach dem neuesten Stand der Forschung für alle europäischen Frauen zu erkämpfen!“

Wer entscheidet über die Behandlung?

John Smyth von der Federation of European Cancer Societies (FECS) wies beim EHFG auf die Diskrepanz zwischen neuen medizinischen Möglichkeiten und den politischen und finanziellen Willen hin, die neuesten Entdeckungen auch in die Praxis umzusetzen. „Zum Teil bleiben ausgezeichnete europäische Therapie-Ansätze in der Schublade“, stellt Smyth fest. Die FECS versuche, das neueste Wissen in Form von wissenschaftlichen Seminaren zu verbreiten und die konstruktive Diskussion zwischen den Spezialisten für multidisziplinäre Krebsbehandlung, Politikern und Patienten zu fördern. „Es müsste im Interesse aller liegen, die besten Behandlungsmöglichkeiten für jedermann zugänglich zu machen“, meint Smyth. „Die Öffentlichkeit sollte vermehrt beim Zugang zu Behandlungen mitentscheiden zu können. Sie sollte aber auch darauf gefasst sein, dafür zu bezahlen.“

Durch Krebs verursachte Todesfälle

Die dargestellten Trends zeigen eine grundsätzliche Verbesserung der Krebs-Todesrate in der EU und der CIS, während sich die allgemeine Situation in Zentraleuropa verschlechtert. Die durchschnittliche Krebs-Sterblichkeit in den westlichen Ländern Europas ist bei jungen Menschen relativ niedrig, während sie bei älteren Menschen deutlich höher ausfällt. Das Gegenteil trifft auf die CIS zu, hier ist im Zentralteil der Region die Sterblichkeit generell höher, sowohl für jüngere als auch für ältere Menschen. Die Anzahl der Frauen, die an Lungenkrebs sterben, steigt in den westlichen und zentralen Teilen der Region stetig. Die meisten Lungenkrebstoten verzeichnet Ungarn, die meisten brustkrebstoten Frauen gibt es in Belgien, gefolgt von Irland.

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Carmen Kiefer European Health Forum Gastein

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