Keramikherstellung unter Umweltbedingungen

Wissenschaftler des Instituts für Nichtmetallische Anorganische Materialien der Uni Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für Metallforschung haben für die Herstellung von Keramiken unter Umweltbedingungen der Natur eine Idee abgeschaut: die Biomineralisation. Auf dieser Grundlage wurden die Konzepte der bioinspirierten Synthese und der Materialien mit bioinspiriertem Aufbau entwickelt. Nun planen sie, Kleinstlebewesen wie Algen und Bakterien für die Materialsynthese einzusetzen.

Schnecken, Muscheln, aber auch manche Einzeller stellen durch Biomineralisation ihre Schalen her. Eigentlich basiert dies auf einem einfachen Vorgang: auf einer organischen Schicht, die als Schablone (Templat) dient, scheidet sich das Mineral ab. Das Verfahren der Abscheidung von Metalloxiden auf Template nutzt man schon seit über zehn Jahren in einer Arbeitsgruppe um Prof. Fritz Aldinger und Dr. Joachim Bill.

Statt wie manche Lebewesen Kalk für ihre Schalen, stellen die Forscher allerdings Zinkoxid, Titanoxid und andere Metalloxide her, die als Werkstoff vielseitig verwendbar sind. Zinkoxid kann beispielsweise beim Bau von Handy-Displays oder Solarzellen eingesetzt werden. Durch die Zugabe von Zusatzstoffen in die Zinksalzlösung lassen sich sehr dünne Schichten aus Zinkoxid bilden, die gezielt auf dem organischen Templat abgeschieden werden. Bei Zugabe von Gelatine bilden sich Zinkoxidplättchen statt stäbchenförmigem Zinkoxid.

Doch die Stuttgarter Forscher haben noch mit anderen Highlights aufzuwarten: Ihnen ist auch die Beschichtung des Kunststoffes PET mit Titandioxid bei nur 60°C gelungen. Mit herkömmlichen Methoden wäre die Beschichtung eines temperaturempfindlichen Kunststoffes nur sehr schwer möglich.

Aber warum nicht gleich Lebewesen zur Keramikerzeugung nutzen? Seit Anfang des Jahres arbeiten Biologen, Chemiker, Physiker und Materialwissenschaftler der Forschergruppe an einem interdisziplinären Forschungsansatz, um verschiedene Organismen wie Algen, Bakterien, tierische Einzeller oder auch Pilze für die Werkstoffsynthese zu nutzen.

Zunächst suchen sie geeignete Organismen, die beispielsweise das Biomineral Kalk als Schale oder als eine Art Skelett in der Zelle ablagern. Die Kontrolle der Calciumcarbonat-Kristall-Bildung erfolgt dabei immer durch organische Moleküle, zum Beispiel durch Schichten aus Proteinen oder Polysacchariden. Die Bildung dieser Matrix und somit die Produktion der teilweise sehr kompliziert gebauten Schalen wird genetisch gesteuert. Nur die wenigsten von Lebewesen produzierten Minerale lassen sich allerdings technisch nutzen.

So ist auch Kalk industriell schlecht einsetzbar. Stattdessen muss man die Organismen dazu bringen, die bisher chemisch syn-thetisierten, technisch relevanten Metalloxide auf natürlichem Weg herzustellen. Die Forscher hoffen, dass diese statt Calciumionen Zinkionen einbauen und auf diese Weise Zinkoxid produzieren. Damit wäre dann der nächste Schritt von der bioinspirierten Materialsynthese zur biologisch hergestellten Keramik gemacht.

Ansprechpartner: Dr. Joachim Bill, Institut für Nichtmetallische Anorganische Materialien, Tel. 0711/689-3228 e-mail: bill@mf.mpg.de

Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/685-82297. -82176, -82122, -82155 Fax 0711/685-82188, Email: presse@uni-stuttgart.de, http://www.uni-stuttgart.de/aktuelles/

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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