Studie stuft Graphen-Staub als unbedenklich ein

Forschende des «Graphene Flagship»-Projekts analysierten die Wirkung von Partikeln aus Polyamid, die mit reduziertem Graphenoxid verstärkt sind. Nachkolorierte Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahmen von abgeschliffenen Partikeln.
Bild: Empa / Journal of Hazardous Materials
Partikel auf Graphenbasis, die nach dem Abrieb von Polymerverbundwerkstoffen freigesetzt werden, haben vernachlässigbare gesundheitliche Auswirkungen. Unter der Leitung der Empa hat ein internationales Forscherteam des «Graphene Flagship»-Projekts eine Studie zu den Gesundheitsrisiken von Graphen-haltigen Nanopartikeln durchgeführt und die Ergebnisse im «Journal of Hazardous Materials» publiziert.
Graphen-verwandte Materialien (engl. «graphene-related materials», GRM) werden häufig zur Verstärkung von Polymeren verwendet. In Konzentrationen von bis zu fünf Gewichtsprozent können GRM die Festigkeit, die elektrische Leitfähigkeit und den Wärmetransport von Verbundwerkstoffen für eine Vielzahl von Anwendungen erheblich verbessern. Da es sich jedoch um eine relativ neue Materialgruppe handelt, müssen Graphen und GRM vor der Vermarktung sorgfältig geprüft werden, um mögliche negative Auswirkungen zu ermitteln.
In einer neuen Studie hat ein grosses interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das vom EU-Flaggschiffprojekt «Graphene» finanziert wurde und dem auch die Empa angehört, einen Verbundwerkstoff aus Polyamid 6 (PA6, auch bekannt als Nylon-6) – einem thermoplastischen Polymer, das in verschiedenen Bereichen wie Automobil- und Sportausrüstung verwendet wird – mit 2,5 Prozent reduziertem Graphenoxid (rGO) hergestellt, einer Form von Graphen, die die Verstärkung des Polymers erhöht. Anschliessend wurde das Material abgeschliffen, um eine Weiterverarbeitung oder ein «End-of-Life»-Szenario zu simulieren. Dabei entstanden Partikel mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 1,9 μm bei rGO-PA6 bzw. 3,2 μm bei reinem PA6.
Partikel in den Atemwegen
Die Forscher analysierten und verglichen die Auswirkungen der abgeschliffenen Partikel aus PA6-rGO, PA6 allein oder reinem rGO, entlang der wahrscheinlichsten Expositionswege. Dazu verwendeten sie zellbasierte Modelle, die die menschliche Lunge, den Magen-Darm-Trakt, die Haut und das Immunsystem repräsentieren, sowie ein in-vivo-Mausmodell für Lungenexpositionsstudien.
Die Forscher fanden nur eine geringfügige akute Reaktion nach der Exposition mit PA6-rGO in den verschiedenen Zell-Modellen. Nur reines rGO zeigte nenneswerte negative Auswirkungen, insbesondere bei Makrophagen, einer Art von Immunzellen. Da das Einatmen von Kleinstpartikeln in einigen Berufen ein wichtiges Problem am Arbeitsplatz darstellt, führte das Team eine Studie mit Atemwegexpositionen an Mäusen durch. In Übereinstimmung mit den in-vitro-Daten löste PA6-rGO eine geringfügige und vorübergehende Entzündung der Lunge aus. Insgesamt deutet diese umfassende Studie auf ein höchstwahrscheinlich geringes Risiko für die menschliche Gesundheit unter akuten Expositionsbedingungen mit rGO-PA6 hin. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die chronischen Auswirkungen oder die Auswirkungen auf Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma zu untersuchen.
Andrea C. Ferrari, Wissenschafts- und Technologiebeauftragter des Graphen-Flaggschiffs und Vorsitzender des Verwaltungsgremiums, fügt hinzu: «Diese umfassende Studie über die mögliche Toxizität von Graphen-Polymer-Verbundstofffragmenten unterstreicht die zentrale Rolle, die Gesundheit und Sicherheit im Graphen-Flaggschiff von Anfang an gespielt haben. Wenn diese Verbundwerkstoffe zu industriellen Teilen verarbeitet werden, muss man sich ernsthaft mit den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der emittierten/abgeschliffenen Partikel auseinandersetzen. Es ist beruhigend zu sehen, dass diese Studie vernachlässigbare Auswirkungen zeigt und damit die Tauglichkeit von Graphen für Massenanwendungen bestätigt».
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Peter Wick
Empa, Particles-Biology Interactions Lab
Tel. +41 58 765 7684
Peter.Wick@empa.ch
Originalpublikation:
S Chortarea, OC Kuru, W Netkueakul, M Pelin, S Keshavan, Z Song, B Ma, J Gomes, E Villaro Abalos, LA Visani de Luna, T Loret, A Fordham, M Drummond, N Kontis, G Anagnostopoulos, G Paterakis, P Cataldi, A Tubaro, C Galiotis, I Kinloch, B Fadeel, C Bussy, K Kostarelos, T Buerki-Thurnherr, M Prato, A Bianco, P Wick; Hazard Assessment of Abraded Thermoplastic Composites Reinforced with Reduced Graphene Oxide; Journal of Hazardous Materials (2022); doi: 10.1016/j.jhazmat.2022.129053
Weitere Informationen:
https://www.empa.ch/web/s604/graphene-dust Link zur Original-Medienmitteilung mit einem weiteren Foto
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung
Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.
Neueste Beiträge

Sichere Entsorgung von hochradioaktivem Abfall
Wie lange sind Behälter mit hochradioaktivem Abfall technisch sicher? Und welcher Behälter eignet sich für welches Endlager? Dazu hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zwei neue…

Wenn jedes Detail zählt: Wärmetransport in Energiewerkstoffen
Forschende des NOMAD Laboratory am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft haben Einblicke in die mikroskopischen Mechanismen gewonnen, die die Wärmeleitfähigkeit in thermischen Isolatoren bestimmen. Durch ihre computergestützte Forschung haben sie gezeigt, dass…

Auf der Suche nach der gläsernen Ordnung
Forscher der Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse der TU Chemnitz beleuchten die geometrischen Grundlagen des Phasenübergangs in ungeordneten Magneten. Magnetische Systeme sind aus dem Alltag und vielen technischen Anwendungsfeldern – etwa…