Riskante Forschung über Grenzen der Disziplinen hinaus

Eine Reihe von Simulationen biologisch realistischer Neuronen mit verschiedenen Zelltypen und realistischer Morphologie. In jeder Iteration der Simulation ändert sich nur eine kleine Zahl von Synapsen.
© Maayan Levy

Viele Probleme in der modernen Wissenschaft verlangen von den Forscher:innen, über die Grenzen ihres Fachs hinaus zu denken. Neurowissenschaften und Informatik untersuchen gemeinsam, wie das menschliche Gehirn funktioniert, und Informationstheorie in Verbindung mit Physik könnte Aufschluss darüber geben, wie Zellen Entscheidungen treffen. Die Wissenschaft ist jedoch in der Regel immer noch in Fakultäten und Forschungsbereichen organisiert. Das NOMIS Fellowship-Programm am Institute of Science and Technology Austria will Wissenschafter:innen dabei unterstützen, unterschiedliche Bereiche zusammenzubringen.

Um neue Zusammenhänge zu erkennen und Erkenntnisse zu gewinnen, müssen Wissenschafter:innen oft einen multidisziplinären Ansatz verfolgen. Das NOMIS Fellowship Programm am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) bietet genau das. Das 2021 ins Leben gerufene Stipendium für Postdoktorand:innen wurde durch die Partnerschaft zwischen ISTA und der NOMIS Foundation ermöglicht.

David Brückner
© Max Hofstetter NOMIS Foundation

Wissenschafter:innen, die an diesem Postdoc-Programm teilnehmen, werden von zwei erfahrenen Gruppenleiter:innen aus unterschiedlichen Bereichen betreut. Sie schlagen eine Brücke zwischen den Teams und bringen unterschiedliche Perspektiven und Ansätze zusammen. Sie haben Zugang zu den hochmodernen Forschungseinrichtungen des ISTA, zu Schulungen für wissenschaftliche Führungskräfte und zu Beratung für ihrer Karriereentwicklung. Diese voll finanzierte dreijährige Stelle ermöglicht es den Stipendiat:innen, risikoreiche Ideen zu verfolgen, die über die die Grenzen unseres Wissens hinausgehen. Derzeit sind vier Wissenschafter:innen mit einem NOMIS-Stipendium am ISTA tätig.

Denkende Netzwerke

Einer der NOMIS-Stipendiat:innen ist Maayan Levy. Sie möchte die physikalischen Phänomene verstehen, die Prozessen im menschlichen Gehirn wie der Gedächtnisbildung zugrunde liegen. Simulationen können die zig Milliarden Neuronen des menschlichen Gehirns und ihre Verbindungen – die Synapsen – noch nicht am Computer alle gleichzeitig darstellen. Jedoch können Forscher:innen kleinere Netzwerke nutzen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Levy programmiert virtuelle Netzwerke mit etwa 10.000 Neuronen mit biologisch realistischen Parametern und Netzwerkarchitektur. Diese Netzwerke helfen ihr zu verstehen, wie Veränderungen an einer kleinen Anzahl von Synapsen eine Erinnerung erzeugen können. Ähnlich wie herkömmliche neuronale Netze beim maschinellen Lernen können Levys Netze darauf trainiert werden, einfache Bilder zu erkennen. Ihre Netze zielen jedoch nicht auf eine netzwerkweite Optimierung ab, sondern versuchen, reale biologische Funktionen mit Hilfe von lokalen Veränderungen auf der Ebene der Synapsen genau nachzuahmen.

Levys Arbeit vereint viele verschiedene Bereiche, von den Neurowissenschaften und der Biophysik bis hin zur Chemie und Informatik. An dieser Schnittstelle der Disziplinen wird sie von Tim Vogels aus der Computational Neuroscience and Neurotheory Gruppe und Peter Jonas aus der Cellular Neuroscience Gruppe unterstützt. Diese beiden Gruppen bringen ihr Fachwissen über die physikalischen Eigenschaften und die Plastizität von Zellen sowie über maschinelles Lernen ein.

Entscheidungsfähig Zellen

Ein weiterer NOMIS-Stipendiat ist David Brückner. Er erforscht, wie Zellen in unserem Körper Entscheidungen darüber treffen, wohin sie wandern und wozu sie sich entwickeln sollen. Zellen können sich fortbewegen, um Wunden zu heilen und Krankheitserreger zu bekämpfen. Stammzellen können sich sogar in alle möglichen Zelltypen differenzieren. Während man bereits viele der beteiligten biologischen Prozesse versteht, ist noch unbekannt, wie Zellen komplexe externe Reize nutzen, um Entscheidungen zu treffen.

Zu diesem Zweck untersucht Brückner große experimentelle Datensätze mit Hunderten von Zellbewegungen und entwickelt Algorithmen, um die verrauschten Bewegungsdaten zu durchleuchten. Er will die zugrundeliegenden Muster finden, die in den Daten verborgen sind wie eine Nadel im Heuhaufen.

Unterstützt wird Brückner von Edouard Hannezo aus der Physical Principles in Biological Systems Gruppe und Gašper Tkačik aus der Information Processing in Biological Systems Gruppe. Diese Teams erforschen zum einen die Biomechanik von Zellen und deren Bewegung, zum anderen untersuchen sie biologische Systeme aus der Perspektive der Informationstheorie.

Mehr über das NOMIS Fellowship-Programm ist auf der dazugehörigen Website zu erfahren: https://ist.ac.at/de/ausbildung/postdocs/nomis-fellowship/

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