DFG richtet 13 neue Sonderforschungsbereiche ein
Zum 1. Januar 2002 wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 13 neue Sonderforschungsbereiche, darunter einen Transregio, einrichten. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in seiner Herbstsitzung. Insgesamt wird die DFG ab Januar 2002 278 Sonderforschungsbereiche an 60 Hochschulen fördern, für die rund 696 Millionen Mark zur Verfügung stehen.
Abweichend von der weiterhin bestehenden Form des ortsgebundenen Sonderforschungsbereichs, der einer lokalen Profilbildung dient, sind Transregio durch mehrere, in der Regel zwei bis drei Standorte gekennzeichnet. Hier werden Kooperationspartner zusammengeführt, deren Beiträge sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau zwingend ergänzen.
Sonderforschungsbereiche ermöglichen bei zeitlicher Begrenzung – in der Regel zwölf Jahre – und regelmäßiger strenger Begutachtung die Durchführung aufwendiger Forschungsvorhaben an den Hochschulen. Die Wissenschaftler können mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und auch mit der Wirtschaft kooperieren. Die Vielzahl der Initiativen für die Einrichtung von Sonderforschungsbereichen führt dazu, dass der Wettbewerb nach wie vor sehr groß ist.
Geistes- und Kulturwissenschaften
An der Universität Trier wird ein neuer Sonderforschungsbereich “Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart” eingerichtet. Die Globalisierung der Märkte, verstärkte Mobilität und Migration sind Stichworte, mit denen sich gegenwärtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Prozesse charakterisieren lassen. Dabei stellt sich heute die Frage nach der Teilhabe von Gruppen oder Individuen an den materiellen und kulturellen Ressourcen einer Gesellschaft sowie an den politischen Entscheidungen über ihre jeweiligen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen auf doppelte Weise: zum einen betrifft diese Frage Zuwanderer, zum anderen bezieht sie sich auf die Stellung der durch Arbeitslosigkeit und anderweitige Armutslagen marginalisierte Gruppen. Im Sonderforschungsbereich werden Fremdheit und Armut unter der methodischen Klammer von Inklusion und Exklusion erstmals epochenübergreifend und interdisziplinär untersucht.
Sprecher: Prof. Dr. Andreas Gestrich, Fachbereich III, Neuere Geschichte, Tel.: 0651/2012188
Biologie und Medizin
Der neue Sonderforschungsbereich “Herzversagen im Alter: Zelluläre Mechanismen und therapeutische Einflussnahme” der Universität Halle-Wittenberg befasst sich mit den Ursachen der alterstypischen kardialen Veränderungen. Dabei sollen zelluläre Mechanismen untersucht werden, die das Herz altern lassen und in die Insuffizienz führen. Die Wissenschaftler suchen nach geeigneten Möglichkeiten, um die Fehlfunktion des gealterten Herzens zu reduzieren und therapeutisch notwendige Eingriffe am Herzen altersspezifisch zu optimieren.
Sprecher: Prof. Dr. Gerrit Isenberg, Julius-Bernstein-Institut für Physiologie, Tel: 0345/5571886
Proteine können in unterschiedlichen Faltungszuständen vorliegen. Dabei wird in jüngster Zeit die pathologische Relevanz unterschiedlicher Faltungszustände immer deutlicher erkannt. Als faltungsbedingte Krankheiten gelten etwa das Creutzfeldt-Jacob-Syndrom oder die Cystische Fibrose. Änderungen in der Proteinfaltung wirken sich in einer molekular noch weitgehend unbekannten Weise auf die biologische Funktion der Proteine aus. Der Sonderforschungsbereich “Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz” der Universität Leipzig will sich daher diesem Forschungsgebiet widmen.
Sprecher: Prof. Dr. Ulrich Hahn, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie, Tel.: 0341/9736991
Der Sonderforschungsbereich “Multifunktionelle Signalproteine – Oligomere Proteinkomplexe als Mediatoren zellulärer Regulationsprozesse” der Universität Jena möchte dazu beitragen, die komplexen Mechanismen der Steuerung von Zellfunktionen zu verstehen. An ausgewählten Beispielen sollen die Struktur-Funktions-Beziehungen multifunktioneller Signalproteine erforscht werden. Dabei geht man von der Vorstellung aus, dass Signalproteine durch variable Wechselwirkungen mit verschiedenen Bindungspartnern unterschiedliche Zellreaktionen kontrollieren können.
Sprecher: Prof. Dr. Reinhard Wetzker, Arbeitsgr. Molekulare Zellbiologie, Tel.: 03641/304460
Mit der “Regulation von Immunfunktionen im Verdauungstrakt” befasst sich ein neuer Sonderforschungsbereich der Universität Regenburg. Neben der Lunge stellt der Verdauungstrakt die größte Kontaktfläche zur Außenwelt dar, wobei Nährstoffe aufgenommen und Mikroben sowie potenziell schädliche Stoffe aus der Umwelt abgewehrt werden müssen. Dazu ist ein hochdifferenziertes System unterschiedlicher Zellen mit unterschiedlichen Funktionen erforderlich. Um Erkrankungen, insbesondere das Entstehen chronischer Entzündungen in den einzelnen Teilen des Verdauungstraktes, zu verstehen und therapieren zu können, ist es erforderlich, die Funktion der beteiligten Zelltypen in ihrer Bedeutung für das Immunsystem im Verdauungstrakt zu analysieren.
Sprecher: Prof. Dr. Jürgen Schölmerich, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I,
Tel.: 0941/9447000
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Haupttodesursache in westlichen Industrieländern, sind das Ergebnis eines komplexen Wechselspiels von genetischen Ursachen und Umweltfaktoren. Der neue Sonderforschungsbereich “Molekulare Analyse kardiovaskulärer Funktionen und Funktionsstörungen” der Universität Düsseldorf will zum Verständnis der molekularen Vorgänge beitragen, die zu komplexen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen. Ziel ist es, molekulare Regelkreise zu erforschen, die die Grundlage für die normale und krankhaft veränderte Herzmuskel- und Gefäßfunktion sind.
Sprecher: Prof. Dr. Jürgen Schrader, Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie,
Tel.: 0211/8112670
Ein neuer Sonderforschungsbereich/Transregio “Chromatin: Aufbau und Vererbung von Struktur und Genaktivität” wird an den Universitäten München und Heidelberg angesiedelt sein. DNA liegt im Zellkern nicht in freier Form, sondern dicht verpackt in Chromatin vor. In den letzten Jahren wurde erkannt, dass Chromatin auch eine entscheidende Rolle für die Aktivität von Genen spielt. Die Wissenschaftler wollen auf molekularer Ebene untersuchen, wie das Chromatin die Aktivität von Genen reguliert.
Sprecher: Prof. Dr. Peter Becker, Adolf-Butenandt-Institut, Tel.: 089/5996427
Naturwissenschaften
Die quantitative Modellierung in den Naturwissenschaften, etwa in den Materialwissenschaften oder der Biologie, bringt eine Vielzahl neuer mathematischer Modelle hervor. Die Vorhersagekraft dieser Modelle muss getestet werden, es müssen Methoden für eine effiziente Behandlung entwickelt werden. Im Sonderforschungsbereich “Singuläre Phänomene und Skalierung in mathematischen Modellen” der Universität Bonn soll eine Brücke geschlagen werden zwischen theoretischer Analysis, numerischer Simulation und Modellierung. Mit der engen Kombination theoretisch-analytischer und numerischer Untersuchungen wird das langfristige Ziel einer effizienten Behandlung von neuartigen Modelltypen verfolgt.
Sprecher: Prof. Dr. Felix Otto, Institut für Angewandte Mathematik, Tel.: 0228/732216
“Komplexe Strukturen in kondensierter Materie von atomarer bis mesoskopischer Skala” sind Thema eines neuen Sonderforschungsbereichs der Universität Göttingen. Viele der klassischen aber auch der neuen und zukunftsträchtigen Materialien weisen eine komplexe Realstruktur auf, das heißt sie sind vielkomponentig oder haben einen hohen Anteil an Grenz- und Oberflächen bei dünnen Schichten. In solchen komplexen Strukturen kann ein Verständnis der makroskopischen Eigenschaften nur über die Wechselwirkung mehrerer Atome oder Moleküle im Bereich von wenigen Ångström bis hin zu vielen Nanometern erreicht werden.
Sprecher: Prof. Dr. Reiner Kirchheim, Institut für Materialphysik, Tel.: 0551/395001
An der Universität Köln wird ein neuer Sonderforschungsbereich “Komplexe Übergangsmetallverbindungen mit Spin- und Ladungsfreiheitsgraden und Unordnung” eingerichtet. Die grundlagenorientierten Forschungsarbeiten greifen zentrale Fragen nach der Rolle von Elektron-Elektron-Wechselwirkungen auf. Im Mittelpunkt stehen fundamentale physikalische Fragestellungen der Festkörperphysik komplexer Vielteilchensysteme, die sich in idealer Weise in komplexen Übergangsmetallverbindungen studieren lassen. Dabei werden Methoden der Festkörperphysik, der Kristallographie, der Dünnschichttechnologie sowie der Anorganischen Chemie eingesetzt.
Sprecher: Prof. Dr. Axel Freimuth, II. Physikalisches Institut, Tel.: 0221/4703570
Die “Physik von Einzelmolekülprozessen und molekularer Erkennung in organischen Systemen” ist Thema eines neuen Sonderforschungsbereichs der Universität Bielefeld. Physiker, Chemiker und Biologen arbeiten zusammen, um die physikalischen Mechanismen zu untersuchen, die Einzelmolekülprozesse in komplexen organisch-chemischen und biologischen Molekülsystemen steuern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung spezifischer Wechselwirkungen in DNA-Protein- und Protein-Protein-Komplexen sowie speziellen organischen Molekülsystemen, die als exemplarische Modelle dienen.
Sprecher: Professor Dr. Ulrich Heinzmann, Fakultät für Physik, Tel.: 0521/1065469
Ingenieurwissenschaften
An der Universität Karlsruhe wird ein neuer Sonderforschungsbereich “Instationäre Verbrennung: Transportphänomene, Chemische Reaktionen, Technische Systeme” eingerichtet. Im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs stehen instationäre (“ungleichmäßige”) Verbrennungsprozesse – beispielsweise flackert eine Kerze und brennt niemals völlig gleichmäßig ab -, die für Verbrennungskonzepte die Ursache wesentlicher technischer Probleme sind. So erfolgt die Gemischbildung und Verbrennung in direkteinspritzenden Verbrennungsmotoren grundsätzlich instationär, ebenso werden Verbrennungsprozesse in Gasturbinen und technischen Verbrennungseinrichtungen vielfach durch instationäre Phänomene bestimmt. Ziel des Sonderforschungsbereichs ist ein verbessertes Verständnis dieser instationären Phänomene, so dass zukunftssicheren, fortschrittlichen Verbrennungskonzepten zum technischen Durchbruch verholfen werden kann.
Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Henning Bockhorn, Institut für Chemische Technik, Tel.: 0721/6082120
Im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs “Elektromagnetische Strömungsbeeinflussung in Metallurgie, Kristallzüchtung und Elektrochemie” der Technischen Universität Dresden steht die Magnetofluiddynamik, die sich mit den komplizierten Wechselwirkungen zwischen elektrisch leitfähigen Flüssigkeiten und elektromagnetischen Feldern befasst. Mit Hilfe der Magnetofluiddynamik lassen sich etwa flüssige Metalle, Halbleiterschmelzen oder Elektrolyte wie das Salzwasser gezielt und ohne direkten Kontakt beeinflussen. Die Forschungsarbeiten zur gezielten Wirkung elektromagnetischer Felder auf Strömungen und Transportprozesse in elektrisch leitfähigen Flüssigkeiten sollen Anwendungen in der Werkstoff- und Verfahrenstechnik, der Strömungsmechanik und nicht zuletzt im Maschinenbau erlauben.
Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Roger Grundmann, Institut für Luft- und Raumfahrttechnik,
Tel.: 0351/4638086
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