Lernende Kinder: Genauigkeit ist wichtiger als Schnelligkeit

Carlotta, acht Jahre alt, bei einem Experiment zum motorischen Lernen in Tastenfolgen. Foto: Martin


Kinder lernen langsamer als Erwachsene, machen dabei aber nicht mehr Fehler. Außerdem achten sie beim Lernen stärker auf Genauigkeit, während die Großen mehr Wert auf Schnelligkeit legen. Das sind einige Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt an der Universität Würzburg, bei dem die Entwicklung von Lernstrategien bei Kindern untersucht wird.

Das Projekt wird von Dr. Claudia Martin am Institut für Psychologie durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Seit November 1999 haben mehr als 300 Testpersonen aus Würzburg und Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) teilgenommen, und zwar achtjährige (2. Klasse) und zehnjährige Kinder (4. Klasse) sowie Erwachsene als Kontrollgruppe.

Die Untersuchung ist als Computer-Lernspiel organisiert. Die Kinder müssen einzeln eine Kartenspiel-Aufgabe bearbeiten, die etwa 15 Minuten dauert. Die Aufgabenstellung ist laut Dr. Martin kindgerecht in eine kleine Geschichte eingekleidet: Hierbei soll ein gezeichnetes Gesicht zum Lachen gebracht werden.

Und so läuft das Spiel ab: Den Kindern wird jeweils eine nummerierte Karte in der Bildschirmmitte gezeigt. Sie müssen dann eine entsprechend nummerierte Taste drücken, also bei Karte 1 immer die Taste 1. Dann wird ihnen die nächste Karte dargeboten, sie müssen die entsprechende Taste drücken, und so weiter und so fort.

Variiert werden die Häufigkeit der Karten – einige erscheinen öfter als andere – und die Übergangswahrscheinlichkeiten: So kommt zum Beispiel nach Karte 2 immer die 4 und vor der 4 immer die 2. Alle anderen Übergänge erfolgen mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Über diese Variationen werden die Teilnehmer vor dem Versuch aber nicht informiert. Sie sollen nur möglichst schnell und fehlerfrei die richtigen Tasten drücken.

Dr. Martin fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen: Was die Reaktionszeit angeht, sind Kinder langsamer als Erwachsene. Achtjährige benötigen durchschnittlich 800 Tausendstel Sekunden für einen Tastendruck, Zehnjährige 600 und Erwachsene 400. Die Fehlerzahlen unterscheiden sich in den drei Altersgruppen nicht voneinander: Die Quote liegt im Durchschnitt bei jeweils rund vier Prozent.

Außerdem hat die Psychologin herausgefunden, dass die Kinder zwar lernen, also während des Versuchs immer schneller reagieren und dabei immer weniger Fehler machen, dass sie aber nicht sagen können warum. Die Erwachsenen dagegen wissen zu erklären, warum sie bei dem Spiel immer besser werden. Sie können etwa die Häufigkeiten der Karten oder die Übergänge ausdrücklich benennen. „Das ist ein Entwicklungstrend vom unbewussten Lernen bei Kindern hin zum bewussten Lernen bei Erwachsenen, dem so genannten expliziten Wissen“, erläutert Dr. Martin.

In allen Experimenten gab es keinerlei Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, weder bei der Reaktionszeit, der Fehlerzahl noch beim expliziten Wissen. Hier hätten Abweichungen erwartet werden können, da Jungen vielleicht häufiger mit PC-Spielen oder mit dem PC allgemein umgehen.

Dr. Martin: „Allgemein kann gesagt werden, dass exakte Reaktionszeitmessungen bei Kindern im Grundschulalter sehr gut methodisch durchführbar sind. Kinder achten mehr auf Genauigkeit, ärgern sich bei einem Fehler, und Erwachsene achten mehr auf Schnelligkeit: Sie empfinden Fehler als nicht so schlimm, messen sich aber an der Steigerung der Schnelligkeit. Fazit: Kinder wurden bisher erheblich unterschätzt, Erwachsene überschätzt.“

Initiiert wurden diese Lernuntersuchungen mit Reaktionszeitmessungen bei Grundschulkindern durch Anfragen aus der Therapieforschung zur Diagnose von Lern- und Gedächtnisstörungen bei Kindern.

Weitere Informationen: Dr. Claudia Martin, T (0931) 31-2179, Fax (0931) 31-2815,
E-Mail: martin@psychologie.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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