Psychische Landkarten deutscher Manager: Südafrika liegt so nahe wie Italien

Wie unterscheiden sich Kunden aus aller Welt in den Augen ihrer deutschen Geschäftspartner? Mit Blick auf die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung über Ländergrenzen und weite Distanzen hinweg ist der Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Hermann Diller an der Universität Erlangen-Nürnberg dieser Frage nachgegangen. Die Antworten bergen einige Überraschungen; beispielsweise bedeutet geographische Nähe nicht unbedingt auch eine Nähe zwischen den Kulturkreisen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass landesspezifisch ausgeprägte Kompetenzen im Umgang mit ausländischen Partnern sehr vorteilhaft sind.

Langfristige Geschäftsbeziehungen entwickeln sich immer mehr nicht nur mit nationalen, sondern auch mit ausländischen Kunden. Gerade am Industriegütermarkt sind die meisten Märkte heute zumindest international, wenn nicht global. Exportquoten von über 70 Prozent sind hier keine Seltenheit.

Die Unternehmen stehen damit vor neuen Herausforderungen. Geschäftsbeziehungen sind auf internationaler Ebene weit schwieriger aufzubauen und zu pflegen als im Heimatland. Zusätzliche organisations- und personenbezogene Einflussfaktoren beeinflussen die Interaktionen. Neben offen auftretenden Unterschieden – wie verschiedenen Sprachen – existieren zahlreiche verdeckte Faktoren, die das jeweilige Herkunftsland kennzeichnen und sich in den Einstellungen und im Verhalten manifestieren.


Verdeckte Dimensionen

Verdeckt bleibt außerdem, welche Muster dabei in den Köpfen der deutschen Exportmanager aktiviert werden, wie sie also ihre Partner aus anderen Nationen einordnen und welche Unterschiede sie sehen. Dieses grundlegende Klassifikationsraster zu ermitteln war Ziel einer Studie am Lehrstuhl für Marketing.

Befragt wurden 53 Manager, die über langjährige Erfahrung im Umgang mit internationalen Geschäftsbeziehungen verfügen. Sie gaben zum einen an, wie stark sich Kunden verschiedener Herkunft ihrer Einschätzung nach ähneln. Zum anderen beurteilten sie jeden einzelnen Kulturkreis hinsichtlich zentraler Managementprinzipien. Einbezogen wurden die wichtigsten Partnerländer deutscher Unternehmen auf fünf Kontinenten. Mit Hilfe der multidimensionalen Skalierung konnten die implizit zu Grunde gelegten Urteilsdimensionen ermittelt werden.

In den Augen der deutschen Geschäftspartner sind Polen, Schweden und US-Amerikaner demnach zeit- und effizienzorientiert und damit deutschen Kunden am ähnlichsten. Bei Brasilianern, Südafrikanern, Italienern und Franzosen stehen eher persönliche Kontakte im Vordergrund. Die Asiaten werden diesbezüglich im Mittelfeld eingeordnet. Hinsichtlich des Formalisierungsgrades der Geschäftsbeziehung heben sich Chinesen und Japaner jedoch stark von Kunden aus westlichen Kulturkreisen ab. Ihr Verhalten wird als stark kontextabhängig beschrieben, flexible Einzelentscheidungen sind vergleichsweise rar. Außerdem gelten Asiaten bei deutschen Managern als einseitig auf die Wahrung eigener Interessen ausgerichtet.

Auf einer „psychischen Landkarte“, in der Deutschland als Zentrum und Bezugspunkt gesetzt ist, weichen die Wahrnehmung der betrachteten Kulturkreise bei den Befragten und die geographische Entfernung von Deutschland erheblich voneinander ab. So liegen die USA sehr nahe; Nachbarländer weisen viel höhere psychische Distanzen auf. Den Südafrikanern fühlen sich die Exportmanager ähnlich nahe oder fern wie den Italienern. Lediglich bei Brasilien, Japan und China ergibt sich der erwartet große Abstand.

Wie die Ergebnisse zeigen, muss eine internationale Kundenbeziehung nicht der anderen gleichen. Für Unternehmen reicht es also nicht aus, einen Manager mit Grundvoraussetzungen für den internationalen Einsatz, wie Sprachkenntnissen oder Reisebereitschaft, anzuwerben. Im Idealfall sollte er über eine spezifische Kompetenz im Umgang mit dem jeweiligen Zielland verfügen.

* Kontakt:
Dipl.-Kff. Gabriele Brambach, Lehrstuhl für Marketing
Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg
Tel.: 0911/5302 -303, Fax: 0911/5302 -210

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Gertraud Pickel idw

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