Erstmals erfolgreich Quantenschlüssel via Glasfaser ausgetauscht

Über 75 km erstreckt sich die Quanten-Faser-Teststrecke zwischen Jena und Erfurt.
Christian Süß / © Fraunhofer IOF

Faserstrecke über 75 km ermöglicht neue QKD-Experimente.

Mit elf Millionen Euro hat das Thüringer Wissenschaftsministerium den Aufbau einer Infrastruktur für Quantenkommunikationsnetze im Freistaat gefördert. Dazu gehört auch eine faserbasierte Teststrecke zwischen Jena und Erfurt. Nun haben Partner des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF erstmals erfolgreich Quantenschlüssel auf der 75 km langen Strecke ausgetauscht.

Es ist ein Meilenstein für die Erforschung der hochsicheren Quantenkommunikation in Thüringen und Deutschland: Auf einer Teststrecke zwischen Jena und Erfurt ist es zum ersten Mal gelungen, erfolgreich Quantenschlüssel über eine Distanz von 75 km via Glasfaser auszutauschen. Mehr als 300.000 Quanten-Keys wurden über einen Testzeitraum von zehn Tagen zwischen den Thüringer Städten verschickt.

Bereits im Frühjahr dieses Jahres war die Teststrecke, gefördert aus Mitteln des Landes, fertiggestellt worden. Sie verbindet das Fraunhofer IOF in Jena mit dem Fraunhofer Zentrum für Mikroelektronische und Optische Systeme für die Biomedizin (MEOS) in Erfurt. Mit den jüngsten Testläufen wurde sie nun erfolgreich in Betrieb genommen.

Thüringen soll Quantenknotenpunkt werden

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee zeigt sich über die Inbetriebnahme hocherfreut: »Thüringen ist einer der führenden Standorte im Bereich der Quantenkommunikation. Als Land investieren wir seit Jahren gezielt in den Ausbau dieser Kompetenzen. Die Teststrecke ist ein weiterer wichtiger und sehr konkreter Schritt in diese Richtung. Sie wird zum Ausgangspunkt für eine sichere Quantenkommunikationsinfrastruktur in ganz Deutschland. Thüringen wird darin mit seinen Forschungseinrichtungen und Unternehmen einen zentralen Knotenpunkt bilden.«

Das Team der Quantum Optics Jena GmbH hat zum ersten Mal erfolgreich Quantenschlüssel auf der Teststrecke ausgetauscht.
Walter Oppel / © Fraunhofer IOF

Der besondere Mehrwert der Teststrecke: Sie holt hochkomplexe Technologien zur Quantenschlüsselverteilung (im englischen »Quantum Key Distribution«, kurz: QKD) raus aus dem Labor und bettet sie in eine reale, alltagsnahe Infrastruktur ein. Entsprechend nutzt die Teststrecke z. B. konventionelle Glasfaser, wie sie auch heute schon in IT-Netzen zum Einsatz kommt und damit perspektivisch Grundlage für eine flächendeckende Implementierung von Quantensystemen sein könnte. Auch verlaufen ca. 6 km der Teststrecken oberirdisch, wodurch Szenarien bereits existierender Netzwerke nachempfunden werden können.

»Für Quantennetze der Zukunft ist es wichtig, neuartige Systeme in realen Infrastrukturen zu testen«, erläutert Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF. »Unsere Teststrecke soll dabei explizit auch Partnern aus Industrie und Wirtschaft zugänglich sein. Als Fraunhofer IOF möchten wir ein ›enabler‹ sein, der es Unternehmerinnen und Unternehmern ermöglicht, eigene Systeme zur Quantenkommunikation in praxisnahen Alltagsszenarien zu erproben und zu optimieren.«

Erster erfolgreicher Quantenschlüsselaustausch

Das erste Unternehmen, das nun mit Unterstützung des Fraunhofer IOF erfolgreich Quantenschlüssel auf der Faser-Teststrecke ausgetauscht hat, ist die Quantum Optics Jena GmbH. 2020 hatte sich das junge Start-up aus dem Fraunhofer-Institut ausgegründet und entwickelt seither Plug-in Lösungen für die Quantenkommunikation. »Wir freuen uns riesig über den erfolgreichen Testlauf«, sagt Dr. Kevin Füchsel, CEO der Quantum Optics Jena. »Wir sind aber auch dem Fraunhofer IOF dankbar für die Möglichkeit, unser System unter Alltagsbedingungen zu erproben. Auf diese Weise fördern wir gemeinsam einen Transfer von Wissenschaft hinein in die Wirtschaft und den praktischen Alltag von Anwenderinnen und Anwendern.«

Für die Kolleginnen und Kollegen von Quantum Optics Jena hielt der erste Versuch auf der Teststrecke direkt spannende Ergebnisse parat: »Wir sehen, dass das System anders im realen Feld arbeitet als im Labor«, führt Füchsel weiter aus. »Im Labor übertragen wir bei vergleichbaren Verlusten mit ca. 300 bit pro Sekunde. Das ergibt einen Verschlüsselungskey pro Sekunde. Im Feld sind wir bei ca. 200 bit, also etwas weniger. Ein Key ist dabei 256 bit lang und kann damit fast jede Sekunde für die kryptografische Absicherung, d. h. der Ver- und Entschlüsselung, der übertragenen Informationen erneuert werden. Gerade diese schnelle, abhörsichere und automatisierte Schlüsselerneuerung zeichnet die Quantenschlüsselverteilung gegenüber etablierten Verfahren aus.«

Um die aus dem ersten Testlauf gewonnenen Ergebnisse weiter zu vertiefen und ihre Lösungen weiterzuentwickeln, plant die Quantum Optics Jena in naher Zukunft einen zweiten Testlauf.

Ausbau der Strecke Richtung Sachsen und Bayern geplant

»Bisher bietet unsere Teststrecke eine Zwei-Knoten-Verbindung zwischen Erfurt und Jena an«, erörtert Institutsleiter Tünnermann die aktuellen Standorte. Doch es gibt schon Pläne für die Zukunft: »Wir hoffen, unsere Teststrecke noch weiter ausbauen zu können und ein Netzwerk in Richtung Sachsen und Bayern zu etablieren.«

Die Faserstrecke entstand im Rahmen der Förderung von Quantenapplikationslaboren durch das Thüringer Wissenschaftsministerium. Neben der Teststrecke wurden in Erfurt und Jena modernste Labore zur Erzeugung sowie Analyse von Quantenzuständen und deren Anwendung in der hochsicheren Kommunikation eingerichtet. Die Förderung durch das Land Thüringen ist dabei eng abgestimmt mit Initiativen des Bundes. Sie ist außerdem zugleich Teil des Digitalisierungsprojektes des Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft.

Quantenschlüsselaustausch über immer größere Distanzen

Lichtteilchen, sogenannte Quanten, sollen unsere Kommunikation in Zukunft hochsicher machen. Damit das gelingt, müssen Systeme geschaffen werden, die einen verlässlichen Austausch der sogenannten Quantenschlüsseln über verschiedene Distanzen ermöglichen.

Das Fraunhofer IOF forscht bereits seit längerem an verschiedenen Möglichkeiten, um hochsichere Quantenschlüssel zu übertragen. Im Rahmen der QuNET-Initiative, einem Pilotprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wurde eine Freistrahlstrecke zwischen den Jenaer Stadtwerken und dem Fraunhofer IOF auf dem Beutenberg Campus in Jena errichtet. Hier werden Quantenschlüssel über 1,7 km mittels Freistrahl ausgetauscht.

Der Austausch von Quanten-Keys via Fasern ist nun der nächste Schritt, um noch größere Distanzen zu realisieren. Um globale Kommunikationsnetze quantensicher verschlüsseln zu können, wird perspektivisch außerdem ein Austausch über Satelliten angestrebt.

Weitere Informationen:

https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2022/quantensc…

Media Contact

Desiree Haak Press & Public Relation
Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Mit integriertem Licht zu den Computern der Zukunft

Während Computerchips Jahr für Jahr kleiner und schneller werden, bleibt bisher eine Herausforderung ungelöst: Das Zusammenbringen von Elektronik und Photonik auf einem einzigen Chip. Zwar gibt es Bauteile wie MikroLEDs…

Antibiotika: Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung

Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und…

Partner & Förderer