Eine Prise Alaska in Schleswig-Holstein

Jetzt konnte ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel Spuren einer Eruption in Alaska in über 7000 Kilometern Entfernung nachweisen – unter anderem in zwei Mooren in Schleswig-Holstein. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Geology“ erschienen.

Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 bleibt den Menschen in Europa wohl noch lange in Erinnerung: Aufgrund der ausgestoßenen Aschewolke wurden über 100.000 Flüge gestrichen, zehn Millionen Passagiere strandeten auf Flughäfen.

Dabei handelte es sich aus wissenschaftlicher Sicht nur um eine durchschnittlich starke Eruption. Tatsächlich blieben die Auswirkungen auf den nordatlantischen Raum beschränkt. „Doch gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu wissen, wie weit Aschewolken sich auf dem Planeten ausbreiten können“, sagt die Vulkanologin Dr. Christel van den Bogaard vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Eine Gruppe Wissenschaftler aus Kanada, Großbritannien, Norwegen, den USA und Deutschland veröffentlichte nun in der internationalen Fachzeitschrift „Geology“ Analysen von Vulkanasche, die beweisen, dass eine mittelgroße Vulkaneruption in Alaska vor rund 1200 Jahren noch in über 7000 Kilometer Entfernung Spuren hinterlassen hat.

„Solch weitreichende Auswirkungen hatte man bisher nur für die Eruptionen von Supervulkanen, angenommen“, erklärt Dr. van den Bogaard, eine der Autorinnen der Studie. „Der einzige Vulkanausbruch von dem bekannt ist, dass Asche über 7000 Kilometer transportiert wurde, ist die Eruption des Toba in Südasien vor 75.000 Jahren.“

Für ihre aktuelle Studie untersuchten die Wissenschaftler Ablagerungen aus Irland, Schottland, Norwegen und Schleswig-Holstein sowie einen Eisbohrkern aus Grönland. Die Ablagerungen waren zwar schon länger bekannt, jedoch konnten sie bisher keinem erdgeschichtlichen Ereignis zugeordnet werden. Bei den Proben handelte es sich um nur wenige Mikrometer große Aschepartikel, die ausschließlich mikroskopisch nachgewiesen werden können, sogenannte Kryptotephra-Lagen.

„Aschelagen in Nordeuropa werden meist auf isländische Vulkane zurückgeführt. Doch bei diesen Aschelagen konnten keine derartigen Zusammenhänge gefunden werden“, erklärt Dr. van den Bogaard. Eine Asche in Ablagerungen aus Nova Scotia, Kanada, brachte die Forscher schließlich auf die richtige Spur: Sie zeigte dieselbe Zusammensetzung und gleiches Alter und deutete auf eine Eruption in Alaska hin.

Tatsächlich handelt es sich bei der Asche-Quelle um das sogenannte Bona-Churchill-Massiv, das im Südosten des nördlichsten US-Bundesstaates nahe der Grenze zu Kanada liegt. Zwei bedeutende Ausbrüche ereigneten sich dort in den vergangenen 2000 Jahren, einer davon um das Jahr 850. Zusammen mit glühender Lava wurden mehrere Tonnen Asche in die Luft geschleudert und in der Atmosphäre verteilt.

Ablagerungen eben dieser Vulkanausbrüche werden als „White River Ash“ bezeichnet – abgeleitet vom White River, einem Nebenfluss des Yukon. Die identische geochemische Zusammensetzung, ein ähnliches Alter der Proben und ein gleiches Aussehen der Bruchstücke des vulkanischen Glases zeigten deutlich, dass die jetzt neu untersuchten Proben aus Nordeuropa ebenfalls aus „White River-Asche“ bestanden.

„Die Spuren im Dosenmoor und im Jardelunder Moor in Schleswig-Holstein sind die am weitesten vom Ursprungsort entfernt liegenden Nachweise dieser Eruptionen bisher“, sagt Dr. van den Bogaard.

Die Ausbrüche des Bona-Churchill-Massivs waren zwar größer als die des Eyjafjallajökull im Jahr 2010, aber bei weitem nicht so stark wie die eines Supervulkans. Vulkanausbrüche mit vergleichbarer Stärke der Bona-Churchill-Eruption ereignen sich etwa alle 100 Jahre, die von Supervulkanen nur etwa alle 100.000 Jahre.

Neben den negativen Auswirkungen auf den Menschen, können die dadurch entstehenden Aschelagen jedoch auch äußerst aufschlussreich für viele Wissenschaftler sein. Sie geben nicht nur Hinweise auf das Alter bestimmter Sedimente, sondern sie können auch genutzt werden um andere prähistorische Vulkanausbrüche und deren Auswirkungen auf fernere Regionen zu Rekonstruieren. „So erstellt die Forschung Stück für Stück eine Geschichte des Vulkanismus auf der Erde, die uns auch hilft, zukünftige Ereignisse besser einzuschätzen“, betont Dr. van den Bogaard.

http://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
http://dx.doi.org/10.1130/G35945.1 Originalarbeit im Magazin „Geology“

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Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

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