Beschleunigungsmesser blicken in die Erde

Heute, Montagnachmittag, wird der ESA-Satellit „GOCE“ (Gravity Field and Steady State Ocean Circulation Explorer) in den Weltraum abheben und europäischen Wissenschaftlern wertvolle Daten liefern. Herzstück dieses Satelliten ist ein Gravitations-Gradiometer.

„Dabei handelt es sich um sechs zusammenarbeitende Beschleunigungsmesser“, Roland Pail, Leiter das GOCE-Projektteams der TU Graz, sagt gegenüber pressetext. In Graz werden leistungsfähige Computer-Cluster damit beschäftigt sein, mithilfe der GOCE-Daten ein Modell des Erdschwerefelds bisher unerreichter Genauigkeit zu erstellen. Das ist aber nur eines der wissenschaftlichen Ziele der ESA-Mission.

Das Kerninstrument der Mission ist das „Electrostatic Gravity Gradiometer“, bestehend aus sechs Dreiachsen-Beschleunigungsmessern. Die eigentlichen Daten für die Auswertung entstehen dabei durch Differenzbildung, so Pail. Die Messgenauigkeit wird dabei laut ESA 100-fach höher liegen als bei anderen Sensoren dieser Art, die bisher in den Weltraum geflogen wurden. „Zusammen mit einer zentimetergenauen GPS-Ortung und der ständigen Lagekontrolle des Satelliten bildet das neu entwickelte Gradiometer ein höchst exaktes System, das insgesamt konkrete Aussagen über das Geoid, eine Bezugsfläche zur Beschreibung der Erdfigur, erlaubt“, sagt Roland Pail.

Das Grazer Team befasst sich mit der Berechnung von Schwerefeldmodellen aus den Daten der GOCE-Mission. Dazu kommt eine eigens entwickelte Software zu Einsatz, die etwa 70.000 Schwerefeldparameter aus den hunderten Mio. Beobachtungsdaten bestimmt. Dazu ist ein Gleichungssystem erforderlich, dass laut Forschern zu Papier gebracht eine dreispurige Autobahn ergäbe, die fünfmal um die Erde führt. Die erforderlichen Computer-Ressourcen sind entsprechend groß. „Allein, um alle für eine Berechnung erforderliche Daten im Speicher zu haben, sind 20 Gigabyte RAM erforderlich“, sagt Pail. Die gesamte Datenmenge liegt noch höher – rund 100 Gigabyte pro Monat wird GOCE dem Wissenschaftler zufolge liefern und die geplante Missionsdauer beträgt 20 Monate. Um das möglich zu machen und auch die erforderliche Rechenleistung aufzubringen, kommen gleich zwei Computer-Cluster zum Einsatz. „Die Benchmark-Performance allein des größeren Clusters liegt bei 400 Gigaflops“, sagt Pail.

Insgesamt arbeiten zehn europäische Universitäten daran, aus den Daten neue Erkenntnisse über Erdinneres und Oberfläche der Erde zu gewinnen. „Die gewonnenen Daten sollen einen detaillierten Blick ins Innere der Erde ermöglichen. Erfasst werden aber auch die Zirkulationssysteme der Ozeane“, erklärt TU-Graz-Rektor Hans Sünkel. Das soll auch neue Möglichkeiten für Ozean- und Klimastudien bringen, beispielsweise für Analysen zur Veränderung des Meeresspiegels.

Der ursprünglich für September 2008 geplante Start der GOCE-Mission musste aufgrund von Problemen an der Rockot-Trägerrakete verschoben werden. Heute, um 15:21 Uhr MEZ, soll der Satellit vom russischen Plesetsk aus starten. Dabei wird auf einen reibungslosen Ablauf gehofft. „Die Wetterprognose sieht jedenfalls sehr gut aus“, meint Pail abschließend.

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Thomas Pichler pressetext.austria

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