Der "Dynamo der Erde" arbeitet effizienter als bisher angenommen

Das Magnetfeld der Erde in einer Computersimulation. Blaue Farbtöne zeigen einen "magnetischen Fluss" nach außen, rote Farbtöne einen Fluss nach innen. An der Oberfläche des Erdkerns (unten) ist das Magnetfeld viel kleinräumiger und komplexer als an der Erdoberfläche (oben). Bild: Max-Planck-Institut für Aeronomie

Max-Planck-Wissenschaftler haben bisherige Vorstellungen korrigiert, wie viel Energie benötigt wird, um das Magnetfeld der Erde zu erzeugen

Das Magnetfeld der Erde entsteht im flüssigen äußeren Eisenkern der Erde in etwa 3.000 Kilometer Tiefe. Durch den Wärmefluss vom Erdkern in den Gesteinsmantel setzt sich das flüssige Eisen in Bewegung, ähnlich wie Wasser in einem geheizten Kochtopf. Diese Bewegungen des elektrisch leitenden Eisens führen zum so genannten Dynamo-Effekt: Elektrische Ströme werden induziert, deren Magnetfeld wir an der Erdoberfläche beobachten. Ulrich Christensen vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau und Andreas Tilgner vom Institut für Geophysik der Universität Göttingen haben jetzt an Hand von Computersimulationen und Laborexperimenten gezeigt, dass für den Betrieb des Geodynamos „nur“ die Energie von einigen Hundert großen Kraftwerken benötigt wird, wesentlich weniger als bisher angenommen (Nature, 13. Mai 2004). Diese Energie stammt von der seit der Erdentstehung in ihrem Kern gespeicherten Wärme. Diese Wärme wird so langsam abgegeben, dass der durch Ausfrieren des flüssigen Eisens entstehende innere Erdkern bereits über 3 Milliarden Jahre alt sein könnte – nicht viel jünger als die Erde selbst. Dieser Befund stimmt mit dem Nachweis einer Magnetisierung in ebenso alten Gesteinen überein.

Unsere Erde ( Radius: 6.370 Kilometer oder Durchmesser 12.740 km) beherbergt eine Reihe von Naturphänomenen, darunter auch das erdmagnetische Feld, das man vor allem dadurch registrieren kann, dass sich eine frei bewegliche Magnetnadel in eine ganz bestimmte Richtung ausrichtet. Nach den gängigen Theorien ist dafür ein Dynamo-Mechanismus im flüssigen Eisenkern verantwortlich: Strömungen elektrisch leitender Materie rufen beim Durchqueren eines vorhandenen schwachen Magnetfeldes durch Induktion elektrische Ströme hervor, die ihrerseits wieder Magnetfelder erzeugen, so dass ein wechselseitiges Hochschaukeln eintritt und messbare Magnetfeldstärken auftreten.

Doch wie viel Energie ist tatsächlich erforderlich, um einen solchen „Geodynamo zu betreiben? Um diese Frage zu beantworten, haben die Wissenschaftler jetzt Computermodelle des Geodynamos mit Ergebnissen aus Laborexperimenten kombiniert. Ihre Computersimulationen können die Stärke, die zeitliche Veränderung und die großräumige Struktur des an der Erdoberfläche beobachteten Magnetfeldes gut erklären. Doch für den Energiebedarf sind die im Erdkern vorhandenen kleinen Strukturen des Magnetfeldes entscheidend, die sich unserer Beobachtung allerdings entziehen. Ob sie in den Computermodellen richtig wiedergeben werden, ist also zunächst unsicher, denn die Simulationen erfassen nur den großräumigen Anteil der Flüssigkeitsbewegung. Die kleinen Wirbel, die in der turbulenten Strömung des Erdkerns zu erwarten sind, müssen durch Annahme einer zu hohen Zähigkeit unterdrückt werden, um die Modelle praktikabel zu halten.

Um zu klären, welchen Einfluss nun die kleinen Wirbel haben, nutzten die Geoforscher das so genannte Karlsruher Dynamo-Experiment. In diesem Versuchsaufbau (s. Abb. 2) strömt flüssiges Natrium durch ein System von Kanälen, die zu einem metergroßen Zylinder zusammengefügt sind. Ist die Pumprate hoch genug, springt der Dynamo an und erzeugt ein Magnetfeld, das etwa 100 Mal stärker ist als das der Erde. Im Gegensatz zur Computersimulation ist die Strömung hierbei turbulent, umfasst also auch die Wirbelkomponente. Der Leistungsbedarf des experimentellen Dynamos passt sich gut in die aus den Modellen abgeleitete Systematik ein. Die Wirbel haben demnach keinen entscheidenden Einfluss auf die elektrische Verlustleistung. Die Computermodelle können somit zur Schätzung der Energiemenge benutzt werden.

Der Energiebedarf des Geodynamos beträgt nach den neuen Modellen etwa 200.000 bis 500.000 Megawatt, was in etwa der Leistung von einigen Hundert Großkraftwerken entspricht. Verglichen mit früheren Schätzungen ist das relativ moderat. Daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass es keiner besonderen Wärmequelle im Erdkern bedarf und dass der Dynamo offensichtlich durch die langsame Abgabe der seit der Erdentstehung im Kern gespeicherten Wärme betrieben wird. Mit der Abkühlung friert das flüssige Eisen aus. Dadurch wächst der feste innere Erdkern. Nach den bisherigen Annahmen wäre die Abkühlung sehr rasch erfolgt, so dass der feste innere Erdkern sich überhaupt erst vor einer Milliarde Jahre, also erst im letzten Viertel der Erdgeschichte gebildet hätte. Das aber stand im Widerspruch zu Befunden aus alten Gesteinen, aus deren Magnetisierung man schließen kann, dass das Erdmagnetfeld schon viel länger besteht. Nach den neuen Berechnungen erfolgte die Abkühlung jedoch sehr langsam, so dass der innere Kern bereits über drei Milliarden Jahre alt ist, nicht viel jünger als die Erde insgesamt.

Das Projekt wurde im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Erdmagnetische Variationen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie durch die Max-Planck-Gesellschaft gefördert.
[AT]

Originalveröffentlichung:

Christensen, U.R., Tilgner, A.
Power requirement of the geodynamo from ohmic losses in numerical and laboratory dynamos
Nature, 13 May 2004

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Ulrich Christensen
Max-Planck-Institut für Aeronomie, Katlenburg-Lindau
Tel.: 05556 979-542 oder -467, Fax: -219
E-Mail: christensen@linmpi.mpg.de

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.linmpi.mpg.de

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