Finger aus Laserlicht

Optische Pinzetten sind wie Lichtfinger, die Objekte im Mikrokosmos drehen können. Das geht nur, wenn die Finger nicht blind zugreifen, sondern die richtigen Greifpunkte finden. Durch die Analyse von gestreutem, defokussiertem Licht auf einer Kamera kann man in Zukunft z.B. Zell-Cluster kontrolliert in beliebige Richtungen drehen, um sie unter Mikroskopen gezielter zu untersuchen. Foto: B. Landenberger, Yatish, A. Rohrbach, Nat. Comm. (2021).

Kontrolliertes Greifen und Drehen biologischer Mikroobjekte.

  • Freiburger Wissenschaftler entwickeln Konzept für feedbackgesteuerte optische Pinzetten
  • Diese Pinzetten aus hochfokussiertem Laserlicht können Zell-Cluster kontrolliert greifen und in beliebige Richtungen drehen.
  • Dadurch lassen sich beispielsweise Mini-Tumore gezielter unter dem Mikroskop untersuchen.

Die Qualität und Frische von Obst oder Gemüse können Menschen mit den Fingern prüfen. Selbst Industrieroboter verrichten hier bei verschiedenen taktilen Anwendungen seit Jahren erfolgreiche Arbeit. Wie aber lässt sich ein hochkontrolliertes Greifen und Drehen von Objekten auf der Größenebene des Durchmessers eines Haares bewerkstelligen? Eine Studie hierzu hat nun das Team von Prof. Dr. Alexander Rohrbach vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Deren Arbeit zeigt, wie mehrere optische Pinzetten aus hochfokussiertem Laserlicht Zell-Cluster künftig kontrolliert greifen und in beliebige Richtungen drehen können. Mini-Tumore lassen sich so beispielsweise gezielter unter dem Mikroskop untersuchen.

Finger aus Laserlicht

Im Labor entsprechen den greifenden Fingern sogenannte optische Pinzetten, welche aus hochfokussierten Laserlicht generiert werden. Der besondere Vorteil von Lichtpinzetten ist, dass sie im Gegensatz zu mechanischen Pinzetten durch transparente Objekte hindurchgreifen können, um Kräfte oder Drehmomente auszuüben.

Um die Positionen von mehreren greifenden Lichtfingern gleichzeitig im 3-D Raum zu steuern, werden seit Jahren Computer-holographische optische Pinzetten eingesetzt, bei denen Laserlicht Pixelweise beliebig und vervielfacht fokussiert werden kann. Dieses Verfahren existiert in Forschungslaboren seit fast zwei Jahrzehnten, scheitert aber beim Ausüben von Kräften und Drehbewegungen von größeren Objekten, das heißt mit Durchmessern größer als circa 1/10 mm. Die Pinzetten haben Probleme, weil die Objekte zu groß und träge sind, um sie in wässriger Lösung beliebig und stabil zu drehen, da entweder die optischen Pinzetten nicht stark genug sind oder keinen günstigen Greifpunkt finden und deshalb abrutschen. Bemerkenswerterweise finden sie den besten Greifpunkt nicht, weil sie gar nicht danach suchen, sondern blind zugreifen, je nach Vermögen der Forschenden, die versuchen, die optischen Pinzetten zu positionieren.

Das Konzept der nicht-blinden optischen Pinzetten

„Nicht-blinde Pinzetten sehen, wohin sie greifen, indem sie das am Objekt gestreute Licht messen und analysieren“ erklärt Rohrbach. „Wir sehen mit unseren Augen verschiedene Gegenstände, weil Tageslicht oder Raumlicht an ihnen gestreut wird und auf unsere Netzhaut abgebildet wird.“ Laserpinzetten können durch transparente Objekte hindurchgreifen. Jedoch sind die unter dem Mikroskop zu untersuchenden biologischen Forschungsobjekte wie Zellcluster, wie zum Beispiel Mini-Tumore, oder kleine Fliegen-Embryos nicht komplett transparent, sondern verhalten sich wie Mattglas im Badezimmerfenster, wo das Licht nach der Transmission diffus und damit schwer zu analysieren ist. Das neue Konzept, um zu sehen, wo die Pinzetten hin greifen, ist die Analyse des defokussierten Laserstreulichts auf einer schnellen Kamera hinter dem Objekt, welches als Feedbacksignal dient. Je asymmetrischer die Lichtflecken der einzelnen Lichtpinzetten auf der Kamera, desto mehr wird das Licht im Fokus gestreut und desto größer ist die Brechungsindexänderung an der jeweiligen Stelle im Objekt. Dies sind die Stellen, wo optische Pinzetten effizient zugreifen können. Physikalisch ausgedrückt: eine lokale Änderung der Polarisierung der Materie führt zu einer verstärkten optischen Dipolkraft.

Das Erstaunliche am Prinzip zum Lokalisieren des besten Greifpunkts sei, erklärt Rohrbach, dass die Lichtstreuung, also die Impulsänderung, direkt im Laserfokus viel stärker sei als die Streuung vor oder hinter dem Fokus. Ähnlich wie die Fingerspitzen, die in eine Kartoffel gesteckten Nagelköpfe spüren (siehe Abbildung), soll jede einzelne der circa fünf bis zehn optischen Pinzetten anhand des gestreuten Lichts den besten Greifpunkt erfühlen, um das Objekt in verschiedene Richtungen zu drehen. Übt eine Pinzette aber zu viel Kraft aus, können die andere Pinzetten den Halt verlieren. „Dies ist ein hochkomplexes Optimierungsproblem, an dem wir noch einige Jahre knobeln“, sagt Rohrbach. Seine Vision ist, dass im Erfolgsfall das Prinzip der kontaktlosen Probenhalterung Einzug findet in die Mikroskope der Zukunft.

Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen der Freiburger Exzellenzcluster BIOSS und CIBSS gefördert.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Alexander Rohrbach
Professur für Bio- und Nano-Photonik
Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: +49 761/203-7536
E-Mail: rohrbach@imtek.de

Originalpublikation:

Landenberger, B., Yatish, Rohrbach, A. (2021): Towards non-blind optical tweezing by finding 3D refractive index changes through off-focus interferometric tracking. In: Nature Communications, 12(1): 6922. DOI: 10.1038/s41467-021-27262-z

Weitere Informationen:

https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2021/finger-aus-laserlicht-kontrolliertes-grei…

Media Contact

Rimma Gerenstein Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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