Wissenschaftler entdecken, wie Eiben Leben retten

Eibenbaum mit Früchten. Paclitaxel und seine Vorstufen werden in den Nadeln und der Rinde verschiedener Bäume der Gattung Taxus produziert.
Alpsdake

CC BY-SA 3.0. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/?ref=openverse.

Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie entschlüsseln in Eiben den Biosyntheseweg von Paclitaxel, einem sehr erfolgreich eingesetzten Chemotherapeutikum zur Krebsbehandlung. Die Entdeckung könnte die Produktion dieses sehr komplexen Moleküls erleichtern, das derzeit unter großem Aufwand und hohen Kosten hergestellt werden muss.

Paclitaxel, ein Chemotherapeutikum aus Eiben

Die komplexe chemische Struktur des Chemotherapeutikums Paclitaxel.
Die komplexe chemische Struktur des Chemotherapeutikums Paclitaxel. (c) Youjun Zhang / MPI-MP

Krebs in all seinen Formen ist immer noch eine der häufigsten Krankheiten und sehr schwer zu behandeln. Teil der modernen Krebstherapie ist der Einsatz von giftigen Chemikalien, so genannten Chemotherapeutika, die den Tumor abtöten. Leider sind diese Chemikalien oft sehr komplex, schwer zu beschaffen und daher teuer. Das sehr erfolgreiche Chemotherapeutikum Paclitaxel ist unter dem Markennamen Taxol® bekannt. Es ist ein natürliches Pflanzenheilmittel, das aus Eiben gewonnen wird. Da 10.000 kg Eibennadeln extrahiert werden müssen, um eine Dosis von 2 g für die Behandlung eines einzigen Patienten zu erhalten, wird verzweifelt nach anderen Produktionsmethoden gesucht, um dieses Medikament für die bedürftigen Menschen zugänglicher zu machen. Die künstliche Synthese von Paclitaxel im Labor ist zwar möglich, aber aufgrund seiner komplizierten chemischen Struktur erfordert sie viele komplexe Schritte und ist daher noch teurer als die Gewinnung aus LKW-Ladungen von Nadeln und Rinde.

Enzyme erlauben es Pflanzen komplexe Moleküle aufzubauen

Die Eibenpflanze stellt diese komplexe Chemikalie mithilfe von Enzymen her. Enzyme sind Hilfsmittel, die eine lange Kette chemischer Reaktionen ermöglichen und zum endgültigen Paclitaxel-Molekül führen. Das ist kostenlos, aber die Pflanze produziert nur winzige Mengen dieser Verbindung. Eine gängige Methode zur Beschleunigung der Arzneimittelproduktion in solchen Fällen besteht darin, den genetischen Code für die beteiligten Enzyme zu kopieren und sie in einen anderen Organismus zu überführen, z. B. in ein Bakterium oder in eine Pflanze, die leicht in großen Mengen gezüchtet werden kann und aus der das Arzneimittel dann leicht und in größeren Mengen als aus Eibennadeln extrahiert werden kann. Dieser Ansatz wird zum Beispiel für die Insulinproduktion verwendet. Dazu müssen die Forschenden jedoch alle Enzyme und ihren genetischen Code kennen, um den betreffenden Prozess zu kopieren. Bei der Biosynthese von Paclitaxel waren viele der Enzyme und Zwischenprodukte unbekannt.

Die fehlenden Glieder in der Kette sind wie Nadeln im Heuhaufen

Youjun Zhang und Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie konnten nun alle fehlenden Schritte, die zur Herstellung von Paclitaxel in Pflanzen erforderlich sind, auf einmal identifizieren. Sie analysierten die Daten von zwölf Experimenten, in denen mehrere zehntausend Gene in Eibenpflanzen untersucht wurden, um Sequenzen für Enzyme zu finden, die in ähnlicher Menge produziert werden wie die wenigen anderen Enzyme, von denen bereits bekannt ist, dass sie an der Paclitaxel Herstellung beteiligt sind. Mit Hilfe ausgefeilter chemischer Analysen und molekularbiologischer Werkzeuge gelang es ihnen, den gesamten Biosyntheseweg aus Eibenpflanzen zu reproduzieren und alle Enzyme in die australische Tabakverwandte Nicotiana benthamiana zu kopieren. Diese transgenen Nicotiana-Pflanzen produzierten tatsächlich ähnliche Mengen an Paclitaxel wie die Eibe. Die Forscher versuchten auch, den Paclitaxel-Stoffwechselweg in Bakterien zu kopieren, stellten aber fest, dass einige der Enzyme in Bakterienzellen einfach nicht funktionieren.

„Es könnte mit der Lage der Enzyme in den Pflanzenzellen zu tun haben. In Pflanzen sind die meisten Enzyme, die an der Biosynthese von Paclitaxel beteiligt sind, an eine bestimmte Membran gebunden. So liegen sie dicht beieinander und bilden möglicherweise eine Transportkette, in der jedes Enzym das Produkt des vorhergehenden übernimmt und es weiter modifiziert, bis am Ende das endgültige Paclitaxel freigesetzt wird. Da Bakterien andere Membranen haben als Pflanzen, kann es sein, dass die Enzyme nicht zueinander finden“. Sagt Youjun Zhang, der Hauptautor der Studie.

Die Tatsache, dass nun der gesamte Biosyntheseweg für eines der erfolgreichsten Chemotherapeutika der Welt enthüllt ist, birgt das Potenzial, Wege zur Beschleunigung der Paclitaxel-Produktion zu finden. Alisdair Fernie, der Leiter der Forschungsgruppe, ist der Ansicht, dass „die Entdeckung des vollständigen Paclitaxel-Biosynthesewegs die Tür für die angewandte Forschung zur Optimierung der Produktion öffnen kann. Es könnte auch möglich sein, den Prozess so anzupassen, dass er auch in Bakterien funktioniert, was eine Produktion in großem Maßstab ermöglichen würde. Bis dahin können die von uns geschaffenen Nicotiana bethamiana Linien zur Optimierung des Systems und zur Steigerung der Ausbeute bestehender Produktionslinien verwendet werden, die pflanzliche Gewebekulturen verwenden.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Alisdair Fernie
Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie
Potsdam Science Park
Am Mühlenberg 1
14476 Potsdam, Germany
Fernie@mpimp-golm.mpg.de

Originalpublikation:

Youjun Zhang, Lorenz Wiese, Hao Fang, Saleh Alseekh, Leonardo Perez de Souza, Federico Scossa, John Molloy, Mathias Christmann, Alisdair R Fernie, Synthetic biology identifies the minimal gene set required for paclitaxel biosynthesis in a plant chassis, Molecular Plant, 4.12.2023, doi: https://doi.org/10.1016/j.molp.2023.10.016

Weitere Informationen:

https://doi.org/10.1016/j.molp.2023.10.016 – original publication
https://www.mpimp-golm.mpg.de/2730117/fernie – Website der Arbeitsgruppe

https://www.mpimp-golm.mpg.de/2766560/news_publication_21253774_transferred

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Dr. Tobias Lortzing Büro für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie

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