Wie Pflanzen Polyspermie verhindern

Eine Arabidopsis-Blüte mit teilweise freigelegten Samenanlagen (links). Die Bildmitte entspricht dem markierten Ausschnitt - Pollenschläuche im Transmissionsgewebe. Jeweils ein Pollenschlauch wächst zur Samenanlage. Rechts die molekularen Zusammenhänge.
© Dr. Bleckmann / UR

Biologen:innen aus China, USA und Regensburg haben den molekularen Mechanismus entschlüsselt, wie die Senfpflanze Arabidopsis verhindert, dass eine Samenanlage von mehreren Pollenschläuchen befruchtet wird.

Bei Samenpflanzen haben Spermien ihre Beweglichkeit verloren und nutzen als Transportvehikel Pollenschläuche, die sie tief ins mütterliche Gewebe zu den Samenanlagen transportieren. Jeder Pollenschlauch transportiert zwei Spermazellen, die zur Befruchtung der Eizelle und Zentralzelle dienen. Aus befruchteten Samenanlagen entwickeln sich anschließend Samen, unsere wichtigste Ernährungsquelle. Wächst mehr als ein Pollenschlauch in eine Samenanlage, werden Eizelle und Zentralzelle mehrfach befruchtet (Polyspermie) und die anschließende Samenentwicklung bricht ab. Um dies zu verhindern, wird bei der kleinen Senfpflanze Arabidopsis, auch Gänserauke oder Ackerschmalwand genannt, nur jeweils ein Pollenschlauch in eine Samenanlage geleitet. Das Wachstum von mehreren Pollenschläuchen in eine Samenanlage (Polytubie) wird verhindert und damit indirekt Polyspermie verhindert.

Das Team um Professor Dr. Thomas Dresselhaus am Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie forscht an der UR bereits seit über 20 Jahren u.a. an den molekularen Mechanismen des Pollenschlauchwachstums und dessen Anlockung sowie der Spermazellfreisetzung im Eiapparat. Hierbei haben sie beispielsweise gattungsspezifische Anlockungspeptide entdeckt – die vermutlich eine ganz zentrale Rolle bei der Artbildung spielen – und konnten zeigen, dass diese Peptide nach erfolgreicher Befruchtung aktiv abgebaut werden und so ebenfalls indirekt zur Verhinderung von Polyspermie beitragen.

Die jetzige Entdeckung beruht auf langjährigen Kooperationen mit Forscher:innen aus China und den USA zu pollenschlauchspezifischen Peptiden und deren Rezeptoren im mütterlichen Transmissionsgewebe und den Samenanlagen. „Insbesondere durch die seit über acht Jahren sehr enge Zusammenarbeit mit dem Qu-Labor an der Peking Universität konnten wir jetzt die molekularen Mechanismen entschlüsseln, die dazu führen, dass nur genau ein Pollenschlauch in jede Samenanlage geleitet wird“, erläutert Zellbiologe Dresselhaus. Die Forscher konnten zeigen, dass das Auswachsen des ersten Pollenschlauches eine Signalkaskade in Gang setzt, die zur Blockade führt und das Auswachsen weiterer Pollenschläuche verhindert. Bei Befruchtungsfehlern ist der gleiche Signalkomplex beteiligt die Blockade wieder aufzulösen damit sekundäre Pollenschläuche angelockt werden können, um so den Befruchtungserfolg zu sichern.

„Auch wenn ich mich über den erneuten Forschungserfolg sehr freue“, gibt Prof. Dresselhaus auch zu bedenken, „so bin ich doch über die Jahre der Kooperation auch zunehmend beunruhigt. Gerade mit Blick nach China lässt sich erkennen, wie dort mit zunehmenden Investitionen in Forschungsinfrastruktur und Ausbildung bei gleichzeitig niedrigerem Verwaltungsaufwand effizienter gearbeitet werden kann. Diese Entwicklung gefährdet auf Dauer unsere Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb“, warnt Dresselhaus.

Ihre Forschungsergebnisse publizierten die Forscher:innen unlängst im renommierten Fachjournal „Science“.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Dresselhaus
Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie – Universität Regensburg
Telefon: +49 941 943-3016, -3017
E-Mail: thomas.dresselhaus@ur.de
http://cell-biology.uni-regensburg.de

Originalpublikation:

Zhong, S., Li, L., Wang, Z. et al. „RALF peptide signaling control the polytubey block in Arabidopsis.” Science (2022).
DOI: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abl4683

http://www.uni-regensburg.de/

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