Wie Einzelzellen und Zellverbünde beim Navigieren zusammenwirken

Prof. Dr. Nikolai Axmacher RUB, Marquard (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)

Für den Review-Artikel kooperierten Dr. Lukas Kunz vom Universitätsklinikum Freiburg, Prof. Dr. Liang Wang von der Chinese Academy of Sciences in Peking und Prof. Dr. Nikolai Axmacher von der Ruhr-Universität Bochum mit weiteren Kollegen der Columbia University in New York.

Das GPS-System des Gehirns

Zahlreiche Tierstudien haben gezeigt, dass es besondere Nervenzellen im Gehirn gibt, die für die Navigation wichtig sind. Die Aktivität der sogenannten Ortszellen codiert beispielsweise, wo im Raum sich ein Individuum befindet.

„Zusammen mit anderen spezialisierten Zellen wie den Rasterzellen bilden sie eine Art GPS-System im Gehirn“, erklärt Nikolai Axmacher, Leiter der Bochumer Abteilung Neuropsychologie.

Studien mit Menschen nahmen hingegen üblicherweise die Aktivität größerer Hirnregionen in den Blick und entschlüsselten charakteristische Areale, die für die räumliche Orientierung wichtig sind.

Unabhängig voneinander fanden zwei Forschungsgruppen – eine in New York und ein Verbund aus Bochum, Freiburg und Peking – kürzlich ein mögliches Bindeglied zwischen der Einzelzell- und der Netzwerkebene. In dem vorliegenden Artikel schildern die Teams gemeinsam ihre auf den experimentellen Ergebnissen basierende Theorie.

Mögliches Bindeglied zwischen den Skalen entdeckt

Die Gruppen untersuchten die rhythmische Hirnaktivität von Zellverbünden im sogenannten entorhinalen Kortex. In diesem Hirnbereich sind die Rasterzellen lokalisiert, die in Tierstudien umfangreich charakterisiert wurden und für die eine Rolle bei der räumlichen Orientierung auf Einzelzellebene belegt ist.

In den großflächigeren rhythmischen Hirnwellen fanden die Forscher ähnliche Charakteristika, wie sie zuvor für Einzelzellen beschrieben worden waren.

Wie aber hängen die Oszillationen genau mit der Aktivität einzelner Zellen zusammen? Eine Theorie nimmt an, dass benachbarte Zellen ähnliche Orte codieren; dieses räumliche Muster könnte dann auch in den Oszillationen sichtbar sein. Ein anderer Ansatz beschreibt, dass beim Navigieren in bestimmte Richtungen eine höhere Anzahl unterschiedlicher Zellen aktiviert wird als beim Navigieren in andere Richtungen, was wiederum zu verstärkten Oszillationen führen könnte.

„Die EEG-Oszillationen könnten also den Link zwischen Einzelzellen und den üblicherweise bei Menschen untersuchten Netzwerken darstellen“, folgert Axmacher.

Alternative Theorie

Die Forscher beschreiben jedoch auch einen ganz anderen Interpretationsansatz: „Es ist ebenfalls möglich, dass die Phänomene auf Einzelzell- und auf Netzwerkebene unabhängig voneinander sind“, so Lukas Kunz, Neurowissenschaftler am Universitätsklinikum Freiburg. „Die beiden Ebenen könnten also parallel voneinander zum Verhalten beitragen, ohne kausal miteinander verknüpft zu sein.“

Die Theorien wollen die Forscher künftig weiter überprüfen. „Genauere Einblicke sind nicht nur wichtig, um die Forschungsergebnisse, die an Tieren und Menschen gewonnen werden, integrieren zu können“, sagen die Autoren. „Es wäre auch wichtig zu wissen, ob Einzelzell- und Netzwerkebene unabhängig voneinander oder gemeinsam durch Krankheiten betroffen sind – und ob sie somit zusammen oder einzeln durch pharmakologische Therapien beeinflusst werden könnten.“

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt von: Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB 874, SFB 1280), Bundesministerium für Bildung und Forschung (01GQ1705A), National Science Foundation (BCS-1724243, BCS-1724243), National Institutes of Health (563386, MH061975, MH104606), Chinese Academy of Science (XDB32010300), Beijing Municipal Science and Technology Commission (Z171100000117014), CAS Interdisciplinary Innovation Team (JCTD-2018-07), Natural Science Foundation of China (81422024, 31771255).

Gemeinsame Presseinformation des Universitätsklinikums Freiburg und der Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr. Nikolai Axmacher
Abteilung Neuropsychologie
Institut für Kognitive Neurowissenschaft
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22674
E-Mail: nikolai.axmacher@rub.de

Dr. Lukas Kunz
Spatial Memory Lab, Epilepsiezentrum, Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
Tel.: 0761 270 52870
E-Mail: lukas.kunz@uniklinik-freiburg.de

Lukas Kunz, Shachar Maidenbaum, Dong Chen, Liang Wang, Joshua Jacobs, Nikolai Axmacher: Mesoscopic neural representations in spatial navigation, in: Trends in Cognitive Sciences, 2019, DOI: 10.1016/j.tics.2019.04.011

https://news.rub.de/wissenschaft/2018-10-12-neurowissenschaft-hirnwellen-ermoegl… Frühere Presseinformation zum Thema

Media Contact

Dr. Julia Weiler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Schnittstellenproblem gelöst

UDDC sorgt für reibungslose Übertragung von Bilddaten auf Mikrodisplays. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS haben einen universellen Datenkonverter für Displaydaten (UDDC) entwickelt. Dieser ermöglicht die Übertragung von Bilddaten…

Keine signifikanten PFAS-Emissionen durch Abfallverbrennung

Versuche am KIT zeigen, dass sich Fluorpolymere in der Hausmüllverbrennung nach europäischen Standards nahezu rückstandsfrei abbauen. Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS, finden sich in unzähligen Produkten und damit auch…

StrokeCap – Die mobile Schlaganfalldiagnostik der Zukunft

Die StrokeCap, ein von der Julius-Maximilians-Universität und dem Uniklinikum Würzburg gemeinsam entwickeltes innovatives, tragbares Gerät, das die mobile Schlaganfalldiagnostik revolutionieren und so Leben retten kann, gewinnt einen von fünf Medical…

Partner & Förderer